Coronavirus Teil 1: Beschränkungen der Ausfuhr und Verbringung von bestimmten medizinischen Schutzgütern
Autor:innen: Dr. Stefanie Werinos-Sydow, Dr. Konstantin Köck LL.M. MBA (DUK) LL.M. (SCU); Mag. Katharina Scholz; Mag. Theresa Karall; Mag. Sandra Kasper
Exportverbot in Deutschland
Update: Am 18.03.2020 hat Deutschland erste Ausfuhrgenehmigungen für medizinische Schutzausrüstung erteilt. Laut Auskunft des Wirtschaftsministeriums in Wien seien bereits die ersten LKW nach Österreich unterwegs, um die Versorgung Österreichs mit Schutzgütern zu sichern.
Update 2: Am 19.03.2020 hat Deutschland das Exportverbot für medizinische Schutzausrüstung gänzlich aufgehoben.
Völlig überraschend untersagte das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie am 4.3.2020 die Ausfuhr und Verbringung von bestimmten medizinischen Schutzgütern mit sofortiger Wirkung (BAnz AT 04.03.2020 B1). Aufgrund der zunehmenden Anzahl an bestätigten Erkrankungen am SARS-CoV-2 („Coronavirus“) und der daraus resultierenden gesteigerten Nachfrage an entsprechender medizinischer Schutzausrüstung sei es laut dem Bundesministerium erforderlich, ein Exportverbot anzuordnen, um die Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an medizinischen Schutzgütern nicht zu gefährden.
Die Anordnung umfasst ein Verbot der Ausfuhr und Verbringung von Mund-Nasen-Schutz-Produkten (OP-Masken, chirurgische Masken), Schutzkittel und -anzüge sowie Handschuhe, nicht aber die Durchfuhr dieser Güter innerhalb Deutschlands. Der Erlass sieht lediglich die kommerzielle Ausführung und Verbringung von medizinischen Schutzgütern vor und enthält auch einige Ausnahmetatbestände. Reisenden ist es beispielsweise erlaubt, diese Schutzgüter in angemessenen Mengen für den Eigenbedarf auszuführen oder zu verbringen.
Durch die Anordnung soll der Gefahr der Unterversorgung und Deckung des lebenswichtigen Bedarfs an medizinischen Schutzgütern rechtzeitig entgegengewirkt werden, denn schon jetzt kann der Bedarf von Krankenhäusern, Ärzten und Apotheken an diesen Gütern nicht mehr vollständig bzw. ausreichend schnell gedeckt werden.
Grundsatz des freien Warenverkehrs
Im Außenwirtschaftsverkehr gilt auf nationaler als auch auf europäischer Ebene der Grundsatz des freien Warenverkehrs. Dieser Grundsatz enthält ein Verbot von Ein- und Ausfuhrzöllen sowie die Abschaffung aller mengenmäßigen Beschränkungen innerhalb der Europäischen Union.
Das Europarecht sieht in Artikel 36 AEUV eine Ausnahme für Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote oder -beschränkungen vor, wenn diese aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind.
Deutschland stützt die Untersagung der Ausfuhr und Verbringung von medizinischen Schutzgütern auf Artikel 36 AEUV, und begründet es mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen.
Rechtslage in Österreich
Das österreichische Außenwirtschaftsgesetz 2011 enthält primär Bestimmungen zur Ausfuhrkontrolle.
Gemäß § 14 AußWG ist der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend ermächtigt, mit Verordnung eine Genehmigungspflicht für die Einfuhr, die Ausfuhr, die Durchfuhr oder die Vermittlung von Gütern im Güterverkehr mit einzelnen oder allen Drittstaaten festzulegen, wenn dies im Interesse der inneren und äußeren Sicherheit Österreichs ist. Diese Ermächtigung umfasst jedoch nur die Beschränkung des Güterverkehrs gegenüber Drittländern.
Rechtsvergleich mit Deutschland
Das deutsche Außenwirtschaftsgesetz enthält hingegen eine explizite Ermächtigung zur Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs, um einer Gefährdung der Deckung des lebenswichtigen Bedarfs im Inland oder in Teilen des Inlands entgegen zu wirken. Diese Ermächtigung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Güterverkehr mit Drittländern und darf nur im Einklang mit Artikel 36 AEUV erlassen werden. Von dieser Ermächtigung hat das deutsche Bundesministerium Gebrauch gemacht.
Ähnliche Maßnahmen
Auch Frankreich hat bereits erste Maßnahmen getroffen, um die Unterversorgung an Schutzmasken zu vermeiden. Sämtliche Vorräte an Atemschutzmasken wurden laut Aussage des französischen Präsidenten beschlagnahmt, um sie an das Gesundheitspersonal und bereits mit dem Virus infizierte Personen zu verteilen.
Aus heutiger Sicht sind in Österreich keine Beschränkungsmaßnahmen für medizinische Schutzgüter geplant. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob andere Länder Maßnahmen ergreifen werden, um möglichen Engpässen bei medizinischer Schutzausrüstung vorzeitig entgegen zu wirken.
Ist das deutsche Exportverbot mit Europarecht vereinbar?
Wie bereits erläutert, enthält das deutsche Außenwirtschaftsgesetz eine Ermächtigung zur Beschränkung des Außenwirtschaftsverkehrs, die allerdings nur im Einklang mit Artikel 36 AEUV erlassen werden darf.
Artikel 36 AEUV sieht eine Ausnahme für Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote oder -beschränkungen vor, wenn diese aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind.
Ist das deutsche Exportverbot durch Artikel 36 AEUV gerechtfertigt? Nach der gestern von EU-Ratspräsident Charles Michel geäußerten Ansicht ist dies nicht der Fall. Warum er damit recht liegen dürfte und warum das deutsche Exportverbot nicht dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen dient, erfahren Sie im zweiten Teil unseres Blogbeitrags.
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