Rechtliche Rahmenbedingungen für vollzeitnahe Teilzeitmodelle im österreichischen Arbeitsrecht – Was Unternehmen und Mitarbeitende wissen müssen
Die Arbeitswelt verändert sich: Unternehmen stehen vor großen Herausforderungen wie steigendem Leistungsdruck, Konkurrenz um die besten Köpfe und zunehmenden Wünschen nach einer besseren Work-Life-Balance der Mitarbeitenden. Gleichzeitig stagniert oft die Produktivität.
Hier setzt das Konzept der vollzeitnahen Teilzeit an – Arbeitszeitmodelle zwischen 80 % und 95 %, die durch clevere Gestaltung Entlastung bringen und gleichzeitig die Effizienz sogar steigern können.
PwC Workforce Transformation hat bereits eingehend die wirtschaftlichen und organisatorischen Chancen dieser Modelle beleuchtet: Weniger Overhead, klare Prioritäten und bessere Übergaben führen zu motivierteren Teams und stabiler Qualität. Den ganzen Artikel finden Sie hier: Vollzeitnahe Teilzeit: Der Produktivitäts-Sweet-Spot – 90 % Arbeitszeit, 100 % Wirkung.
Im nachfolgenden Beitrag wird diese Perspektive um die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen in Österreich ergänzt.
Welche Rechte und Pflichten müssen Arbeitgeber:innen und Arbeitnehmer:innen kennen, um vollzeitnahe Teilzeitmodelle rechtssicher und fair zu gestalten?
Arbeitsvertragliche Gestaltung
Vollzeitnahe Teilzeit bedeutet, dass Mitarbeitende nicht mehr 100 %, jedoch meistens deutlich mehr als 50 % einer Vollzeitbeschäftigung arbeiten.
Nach österreichischem Arbeitsrecht ist allerdings zunächst einmal jede kürzere durchschnittliche Wochenarbeitszeit unterhalb der gesetzlichen (grundsätzlich 40h pro Woche) oder im konkreten Fall anwendbaren kollektivvertraglichen Normalarbeitszeit (38,5h oder ebenso 40h pro Woche) Teilzeit.
Wenn also die gesetzliche Normalarbeitszeit von 40 Stunden gilt, ist schon eine vereinbarte durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 39 Stunden Teilzeit.
Wichtig: Änderungen der Arbeitszeit, insbesondere bei der Reduktion von Vollzeit auf Teilzeit, gelten als Vertragsänderungen und bedürfen idR der Zustimmung beider Seiten. Ideal sind klare und schriftliche Vereinbarungen, die die neue Arbeitszeit inklusive Verteilungsform (z. B. 4 oder 4,5-Tage-Woche oder verkürzte Arbeitstage) eindeutig festlegen.
Praxis-Tipp: Unregelmäßig verteilte Arbeitszeit wirft für die Frage der Bewertung von Abwesenheiten in der Praxis häufig Probleme auf. Soll daher zB eine 4-Tage Woche vereinbart werden, empfiehlt sich ein fixer freier Tag oder zumindest eine „Zweifelsregelung“. Die korrekte rechtliche Ausgestaltung ist hierbei essenziell.
Reduktion der Normalarbeitszeit durch Betriebsvereinbarung?
Besonderheiten bestehen, wenn ein Betriebsrat eingerichtet ist. So könnte auch durch eine Betriebsvereinbarung (BV) die Normalarbeitszeit im Betrieb verkürzt werden. Wenn nicht für alle Arbeitnehmer:innen des Betriebes ein Betriebsrat besteht, kann die Verkürzung mit diesem restlichen Teil der Belegschaft auch einzelvertraglich vereinbart werden.
Achtung: Sofern der Kollektivvertrag die BV allerdings nicht ermächtigt (was praktisch bislang wenig vorkommt), diese Verkürzung vorzunehmen, gilt diese nach überwiegender Ansicht nicht normativ. Grundsätzlich sind dann auch dafür die Teilzeitregelungen anzuwenden, insbesondere Mehrarbeitszuschläge (siehe hierzu unten).
Arbeitszeitgesetzliche Rahmenbedingungen
Auch bei Teilzeitmodellen sind die höchste erlaubte tägliche und wöchentliche Arbeitszeit nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG) zu beachten.
Vollzeitnahe Teilzeit kann durch verkürzte Arbeitstage, aber insbesondere auch durch eine verkürzte Arbeitswoche erfolgen.
Eine verkürzte Arbeitswoche hat Vorteile für beide Seiten.
Grundsätzlich kann die tägliche Normalarbeitszeit (daher bevor zuschlagspflichtige Überstunden bzw. Mehrstunden anfallen) bei einer 4 Tage Woche auf bis zu 10 Stunden pro Tag ausgedehnt werden; bei einer 4,5 Tage Woche (zB Freitag-Frühschluss) auf 9 Stunden pro Tag.
Diese Ausdehnungsmöglichkeiten gelten nach überwiegender Ansicht auch für Teilzeitbeschäftigte.
Praxistipp: Formvorschriften sind unbedingt zu beachten! In Betrieben mit Betriebsrat ist zB für die Verteilung der Normalarbeitszeit auf 4 Tage pro Woche idR eine Betriebsvereinbarung notwendig, ohne Betriebsrat braucht es eine schriftliche Einzelvereinbarung.
Wichtig: Hierbei gilt es stets auch die konkreten Regelungen des jeweils anwendbaren Kollektivvertrages zu beachten! Zahlreiche Kollektivverträge enthalten spezielle(re) Bestimmungen.
Auch andere (flexible) Modelle der Arbeitszeitgestaltung wie Gleitzeit- oder Durchrechnungsmodelle sind möglich.
(Volle?) Vergütung, allfälliger Testbetrieb und Gleichbehandlungsaspekte
Die Bezahlung erfolgt bei Teilzeit grundsätzlich anteilig zum vereinbarten Arbeitszeitumfang.
Sofern ein Kollektivvertrag anwendbar ist, sind die festgelegten kollektivvertraglichen Mindestgehälter / -löhne nach der jeweiligen Einstufung zu beachten und korrekt pro-rata-temporis – also anteilig – für die vereinbarte Teilzeitbeschäftigung zu berechnen. Dies steht den Mitarbeitenden mindestens zu.
Bei vollzeitnaher Teilzeit entscheiden sich Unternehmen aber mitunter auch zur Beibehaltung der (bisherigen) vollen Entlohnung.
In der Praxis werden solche Modelle öfters auch zunächst als „Testbetrieb“ – zB für die Dauer von 6-Monaten oder 1 Jahr – eingeführt.
Wichtig: Soll zunächst ein „Testbetrieb“ eingeführt werden, ist es unbedingt notwendig, dies rechtlich so zu gestalten, dass hieraus keine permanenten Ansprüche der Mitarbeitenden erwachsen und das Modell auch tatsächlich wieder eingestellt werden kann.
Praxistipp: Unternehmen sollten vor Einführung solcher Modelle jedenfalls arbeitsrechtliche Beratung einholen!
Bei der Einführung solcher Modelle gilt es zudem stets auch das Benachteiligungsverbot für Teilzeitbeschäftigte, wie auch den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie Aspekte des Gleichbehandlungsgesetzes sowie künftig der Entgelttransparenz-Richtlinie bzw. deren nationaler Umsetzung zu beachten. Bei der Einführung solcher Systeme sind daher stets alle Gruppen von Mitarbeitenden „mitzudenken“ und gleiche Regelungen für gleiche bzw. gleichwertige Arbeit zu schaffen.
Mehr- / Überstunden und Zuschläge
Wenn über die vereinbarte Arbeitszeit (Ausmaß und Lage der Arbeitszeit) hinaus gearbeitet, jedoch nicht das Arbeitszeitausmaß des vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten bzw. das gesetzliche Normalarbeitszeitausmaß pro Tag oder Woche überschritten wird, liegt grundsätzlich Teilzeit-Mehrarbeit vor.
Hierfür gebührt regelmäßig ein 25%iger Zuschlag.
Ausnahme: Mehrarbeit von Teilzeitbeschäftigten ist im selben Ausmaß zuschlagsfrei, in dem Mehrarbeit von Vollzeitbeschäftigten laut Kollektivvertrag zuschlagsfrei ist (sog. Differenzstunden), sowie im Fall von Zeitausgleich innerhalb von drei Monaten im Verhältnis 1:1 (oder uU bei Gleitzeit).
Praxistipp: Ist der Ausgleich von Mehrarbeit 1:1 binnen drei Monaten gewünscht, sollte dies jedenfalls auch vertraglich verankert werden.
Überstunden samt Zuschlägen (gesetzlich 50%) fallen hingegen (auch) bei Teilzeitbeschäftigten grundsätzlich erst an, wenn das Arbeitszeitausmaß des vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten bzw. das gesetzliche Normalarbeitszeitausmaß pro Tag oder Woche überschritten wird.
Wichtig: Kollektivverträge sehen in der Regel eigene (höhere) Überstundenzuschläge z.B. für Nachtarbeit, Arbeit am Wochenende, etc. vor. Zum Teil werden in Kollektivverträgen aber auch Zuschläge für Mehrarbeit festgelegt.
Arbeitsorganisation und Dokumentation
Die positiven Effekte vollzeitnaher Teilzeit wie z. B. schlankere Prozesse, fokussierte Arbeit, geringe Fluktuation, etc. benötigen auch arbeitsrechtlich eine gute Umsetzungsbasis:
- Transparenz bei Arbeitszeitvereinbarungen und Arbeitszeiterfassung schafft Vertrauen und minimiert Konflikte.
- Klare, schriftlich festgelegte Regeln für Meetings, Erreichbarkeit und Aufgabenbereiche helfen, die im Vollzeitmodell erforderliche Präsenz adäquat anzupassen.
- Die Festlegungen von Zielen (zB via OKRs) kann Qualität sichern und messbar machen – rechtskonform ausgestaltete arbeitsrechtliche Vereinbarungen sind hierzu notwendig.
Damit wird die rechtliche Absicherung mit einer effizienten Arbeitsgestaltung sinnvoll verbunden.
Fazit und Ausblick
Vollzeitnahe Teilzeitmodelle bieten eine zeitgemäße Balance zwischen Entlastung der Mitarbeitenden, mehr Flexibilität und hoher Produktivität – vorausgesetzt, sie sind rechtlich sauber gestaltet.
Für Arbeitgeber:innen heißt das konkret: transparent, dokumentiert / schriftlich und unter Beachtung aller arbeitsrechtlichen, einschließlich anwendbarer kollektivvertraglicher, Regelungen planen und umsetzen.
Soll das Modell zunächst als „Testbetrieb“ eingeführt werden, ist es unbedingt erforderlich dies entsprechend rechtlich korrekt umzusetzen und zu dokumentieren.
Wer diese Faktoren berücksichtigt, schafft nicht nur ein attraktives Arbeitsumfeld, sondern stellt sich auch in Zeiten von „War for Talents“ und zunehmenden Anforderungen an Arbeitsqualität und Nachhaltigkeit zukunftssicher auf.
Gerne unterstützen wir Sie bei der rechtssicheren Umsetzung (vollzeitnaher) Teilzeitmodelle in Ihrem Unternehmen.

