Green Leases – Ziele, Grundsätze und Vertragsklauseln
Co-Autor: Mag. Elias Pressler
Hintergrund
Seit einem knappen Jahrzehnt wird die Bedeutung von Nachhaltigkeitsbestimmungen nicht nur bei der Errichtung, sondern auch im Betrieb von Immobilien in Österreich thematisiert.
Anders als etwa in angelsächsischen Ländern, Frankreich, den Niederlanden und verstärkt auch in Deutschland fehlt bisher im österreichischen Immobilienmarkt die Etablierung und Verbreitung marktüblicher Standards für Green Leases, also “Grüne Mietverträge”. Besondere grüne Bestimmungen sind nach unserer Erfahrung weiterhin (noch) nicht typischer Bestandteil von kommerziellen Miet- und Pachtverträgen.
Dabei steigt die Bedeutung von grünen Immobilien und langfristig ökologischen Investments. Grüne Gebäude führen zu geringeren Energie- bzw. Betriebskosten und einer besseren Mieterbindung mit nachweislich weniger Leerständen. An grünen Investments besteht eine wachsende Nachfrage am Markt und damit ein großes wirtschaftliches Potenzial. Bereits heute spielen für die Mehrheit institutioneller Investoren ESG-Kriterien bei der Auswahl von Investments eine wichtige Rolle. Laut einer aktuellen Umfrage von Savills Investment Management, bei der institutionelle Investoren zum Thema ESG und Green Leases befragt wurden, erwarten über 70% der Anleger, dass „grüne“ Mietvertragsklauseln in der Immobilienbranche noch vor Ende 2030 Branchenstandard sein werden – mehr als ein Drittel rechnet sogar bereits bis 2024 damit.
Hierzulande könnten neben Einsparungspotentialen, selbst auferlegten Nachhaltigkeitsstandards von Unternehmen auch verstärkt diskutierte CO2-Steuern sowie eine allgemein stärkere Ökologisierung der Steuergesetze die Etablierung von Green Leases jedoch in größerem Ausmaß und in kurzer Zeit maßgeblich befördern.
Dieser Beitrag bietet eine Übersicht zu Zielen und Grundsätzen von Grünen Mietverträgen und umreißt bestehende typische Vertragsklauseln, die in anderen Jurisdiktionen bisher erarbeitet und implementiert wurden.
Allgemein
Ziel von Green Lease Vereinbarungen ist die Verbesserung der Nachhaltigkeit bei der Nutzung und beim Betrieb von Gebäuden. Das Erreichen von Energieeffizienz erfordert dabei die Zusammenarbeit zwischen Eigentümern und Bestandnehmern.
Einerseits geht es um Nachhaltigkeit im laufenden Betrieb, möglichst effizienten Verbrauch und Senkung von Emissionen, andererseits auch um Erhaltungs- und bauliche Maßnahmen.
Die Parteien formulieren konkrete Ziele, die die nachhaltige Gebäudenutzung gewährleisten sollen. Ein zentraler Punkt zur Umsetzung ist die Erfassung und der Austausch von Daten. Typischerweise werden daher Reporting-Vereinbarungen, also wechselseitige Informations- und Auskunftspflichten vereinbart.
Gemäß vom deutschen ZIA (Zentralen Immobilien Ausschuss e.V.) erarbeiteten Grundsätzen enthalten Green Leases mindestens eine Regelung jeweils zur (i) nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung des Mietgegenstandes im laufenden Betrieb, (ii) Reduzierung von Abfällen, Verbräuchen und Emissionen sowie (iii) ökologisch unbedenklichen Durchführung von Erhaltungs-, Modernisierungs- und sonstigen Baumaßnahmen.
Typische Regelungsempfehlungen und Vertragsklauseln
Absichtserklärung
Nach den bisher aufgestellten Grundsätzen wird eine einleitende Klausel zur Nachhaltigkeit des Mietvertrages im Sinn einer Absichtserklärung der Parteien empfohlen. Auch wenn solche Bestimmungen “weiches Recht” sind, wird eine Festlegung des Verständnisses von „nachhaltiger Nutzung“ definiert und dient als Auslegungsmaßstab für die übrigen Vertragsbestimmungen.
Datenaustausch
Typischerweise sehen Regelungsempfehlungen vor, dass Bestandnehmer und Bestandgeber sich „Nachhaltigkeitsinformationen“ betreffend den Bestandgegenstand zur Verfügung stellen.
Beispiel Vertragsbestimmung (gekürzt)
Die Parteien stellen einander im Zusammenhang mit der nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung des Bestandgegenstandes folgende Informationen, Unterlagen und Dokumente („Nachhaltigkeitsinformationen”) zur Verfügung:
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- Daten des Energie- und Wasserverbrauchs,
- Daten des Abfallaufkommens,
- Daten, die für die Ermittlung der CO2-Bilanz des Bestandgegenstandes erforderlich sind (dazu zählen Informationen, die durch die jeweiligen Energielieferanten zur Verfügung gestellt werden),
- Daten zur Nutzung des Bestandgegenstandes (insbesondere zum Personenaufkommen, Öffnungszeiten, Hauptnutzungszeiten pro Tag und Woche, Sondernutzung), und
- soweit anwendbar weitere Daten zur Erreichung einer nachhaltigen Nutzung und/oder nachhaltigen Bewirtschaftung, z.B. für Energie-Audits, Zertifizierung
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Dazu kann vereinbart werden, dass der Vermieter eine elektronische Plattform zum Austausch der Daten zur Verfügung stellt und diese betreibt.
Im Zusammenhang mit solchen Vereinbarungen ist jedenfalls auch die Erfüllung der jeweils anwendbaren gesetzlichen Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und lauteren Wettbewerb wechselseitig sicherzustellen.
Verknüpfung mit Bewertungssystem
Der Austausch von Daten ist relevant für eine nachhaltige Nutzung. Gerade diese Daten erfüllen darüber hinaus regelmäßig auch die Anforderungen von anerkannten Zertifizierungssystemen. Mit Hilfe der unter dem Green Lease erhobenen Daten kann daher von Fall zu Fall der Bestandgegenstand bzw. das betriebene Gebäude z.B. nach LEED, DGNB oder BREEAM zertifiziert werden.
Sowohl Vermieter als auch Mieter können die gewonnenen Daten zudem für ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung verwenden. Damit ermöglicht der Green Lease über Zertifizierungs-, Bewertungs- und Reportingsysteme die Ermittlung von Nachhaltigkeitskennzahlen und ermöglicht in der Folge die umfassende Bewertung der Nachhaltigkeit des Bestandgegenstandes.
Energie Monitoring und Management
Die Kosten für Klimatisierung und Energieversorgung von Gebäuden steigen weltweit an. Die Durchführung eines Energiemonitorings und die Erstellung eines Energiekonzepts bieten viel Potential für Kosteneinsparungen, die natürlich dem Mieter, der grundsätzlich diese Kosten trägt, zu Gute kommen.
Beispiel Vertragsbestimmung (gekürzt)
Der Vermieter/Mieter wird den Energieverbrauch des Bestandgegenstands feststellen und bewerten. Auf der Basis dieses Energiemonitorings entwickelt der Vermieter/Mieter ein Energieoptimierungskonzept, welches Konzepte zum umwelt- und ressourcenschonenden Umgang mit Energie, das Empfehlungen für eine nachhaltige Nutzung und nachhaltige Bewirtschaftung enthält, welches er der anderen Partei übermittelt.
Die Parteien werden die Empfehlungen des Energieoptimierungskonzepts in angemessener Frist Umsetzen (alternativ: sich um die Umsetzung bemühen). Der Vermieter/Mieter wird das Energieoptimierungskonzept und seine Umsetzung alle 12 Monate anhand des Energiemonitorings überprüfen und gegebenenfalls anpassen.
Darüber hinaus sollte vereinbart werden, von welcher Partei bzw. in welchem Verhältnis die Kosten des Energiemonitorings und/oder Energieoptimierungskonzepts getragen werden.
Förderung nachhaltiger Energiequellen
Ein wichtiger Aspekt bei Green Leases ist die Förderung der Nutzung nachhaltiger Energiequellen.
Ein Grüner Mietvertrag sollte vorsehen, dass, soweit technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar, Energie aus erneuerbaren Energiequellen bezogen werden soll. Sinnvoll ist eine Definition bzw. Verknüpfung mit gesetzlichen (sich allenfalls ändernden) gesetzlichen Vorschriften und Definitionen.
Exkurs: Split Incentive & Pass-Through Klauseln
Im US Raum wird der bei gewerblichen Bestandverträgen auftretende geteilte Anreiz “split incentive” thematisiert, wenn ein Gebäudeeigentümer hohe Investitionskosten hat, um ein Gebäude zu verbessern (z.B. den Austausch der Heizung und Kühlung), während dem Mieter die Vorteile von niedrigeren Energiekosten zugute kommen.
Pass-Through Klauseln ermöglichen es dem Vermieter, betriebliche Einsparungen, die sich aus der Verbesserung der Energieeffizienz ergeben, zurückzuerhalten. Üblicherweise bis zu dem Punkt, an dem der Vermieter seine Kosten amortisiert hat.
Ausstattungs- und Baumaßnahmen
Auch bei Ausstattungs- und Baumaßnahmen des Mieters und des Vermieters knüpft der Green Lease an die nachhaltige Nutzung und Bewirtschaftung des Mietgegenstandes an.
Je nach Objekt und Vereinbarung obliegen entweder dem Mieter oder Vermieter unterschiedlich umfangreiche Maßnahmen des Innenausbaus bzw. der betriebsspezifischen Ausstattung und allenfalls technischen Ausrüstung bzw. besteht die Berechtigung zur Vornahme von baulichen Maßnahmen und Veränderungen.
Beispiel Vertragsbestimmung (gekürzt) – Maßnahmen Mieter
Soweit der Mieter bauliche Veränderungen/die Ausstattung des Mietgegenstandes vornimmt, wird der Mieter den Vermieter im Vorhinein über die Veränderungen informieren und insbesondere mitteilen, inwiefern die Veränderungen bzw. durchzuführende Maßnahmen eine nachhaltige Nutzung und nachhaltige Bewirtschaftung fördern sowie zur Erreichung der in diesem Vertrag genannten anwendbaren Nachhaltigkeits-Ziele beitragen.
(Auf Wunsch des Vermieters wird der Mieter die baulichen Veränderungen/die Ausstattung einschließlich die Art und Weise ihrer Durchführung mit dem Vermieter abstimmen und dessen konkrete Vorschläge zur Förderung einer Nachhaltigen Nutzung und Nachhaltigen Bewirtschaftung berücksichtigen.)
Der Mieter wird sich um umwelt- und ressourcenschonende Durchführung der Veränderungen und eingesetzten Materialien bemühen.
Der Mieter hat die baulichen Veränderungen/die Ausstattung umwelt- und ressourcenschonend durchzuführen und dabei ausschließlich emissionsfreie/möglichst emissionsarme, auf Grundlage einer Lebenszyklusbetrachtung als umwelt- und ressourcenschonend anzusehende Materialien einzusetzen und durch die baulichen Veränderungen/die Ausstattung verursachte, negative Auswirkungen auf den Energieverbrauch und die Heizung/Kühlung des Mietgegenstandes soweit technisch möglich und wirtschaftlich zumutbar zu vermeiden.
(Optional: Der Mieter wird die diesem Mietvertrag als Anlage beigefügten ökologischen Vorgaben seinen Ausschreibungen von Bauleistungen zugrunde legen und deren Einhaltung vereinbaren. Der Mieter wird dem Vermieter geeignete Nachweise über die Einhaltung der Regelungen dieser Bestimmung übermitteln.)
Beispielsweise können hinsichtlich der zulässigen Materialien natürlich weitere spezifischere Vorgaben vereinbart werden.
Sollte der Vermieter die Ausstattung des Mietgegenstandes durchführen, wären entsprechende Verpflichtungen des Vermieters (samt entsprechender Kostentragungsregelung, beispielsweise ist die Vereinbarung von Kostenteilung/Budgets/Zuschüssen denkbar) vorzusehen – diese könnten natürlich auch für Instandsetzungs- und bei Modernisierungsmaßnahmen vereinbart werden.
Betriebs- und Nebenkosten & umweltfreundliche Reinigung
Das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit soll im Green Lease relativiert bzw. um den Aspekt ökologischer Nachhaltigkeit ergänzt werden. Das soll dem Vermieter ermöglichen, ökologisch nachhaltigere – unter Umständen (innerhalb bestimmter Budgets) teurere – Leistungen und Maßnahmen durchführen zu lassen. Praktisch bedeutsam ist das insbesondere bei der Reinigung, bei der ebenfalls Regeln (hier regelmäßig für den Mieter, der meist die Reinigung durchführt) vereinbart werden können.
Beispiel Vertragsbestimmung (gekürzt)
Der Vermieter ist berechtigt, Maßnahmen, deren Kosten (im Rahmen der Betriebskosten) auf den Mieter umgelegt werden, zur Förderung der nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung des Mietgegenstandes in einer ökologischeren Art erbringen zu lassen als technisch und ökonomisch zwingend erforderlich (Anmerkung: allenfalls unter Setzung von bestimmten Mehrkostenlimits). Aus mehreren, gleich geeigneten und auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit gleichwertigen Maßnahmen ist der wirtschaftlichsten der Vorzug zu geben.
Beispiel Vertragsbestimmung (gekürzt) – Umweltfreundliche Reinigung
Im Rahmen der Reinigung des Mietgegenstandes werden die Parteien/wird der Mieter aus mehreren gleich wirksamen Reinigungsverfahren jeweils das umweltschonendere Verfahren anwenden. Es sind nur ökologisch unbedenkliche Reinigungsmittel zu verwenden.
Bei der Reinigung des Mietgegenstandes, sind die diesem Mietvertrag als Anlage beigefügten ökologischen Vorgaben einzuhalten und sämtliche allenfalls mit Facility Management-/Reinigungs-Leistungen beauftragte Dritte zu deren Einhaltung zu verpflichten.
Auch kleine Maßnahmen machen einen Unterschied: Es könnte vereinbart werden, dass z.B. Facility Management Leistungen vorrangig während des Arbeitstages erbracht werden müssen, wodurch unnötiger Energieverbrauch für die Nachtbeleuchtung vermieden wird.
Weitere Regelungen
Je nach Objekt können weitere Anlagen zu Bestandverträgen vorgesehen werden, die konkrete Empfehlungen und Ziele vorsehen.
Bei größeren Gewerbeimmobilien kann z.B. beim Thema Mobilität vereinbart werden, dass bspw. folgende Maßnahmen umgesetzt werden: Carsharing-Möglichkeiten für Mitarbeiter, Anreize zur Fahrradnutzung, Ermittlung und Überprüfung von CO2- oder anderen Emissionen des durch Mitarbeiter verursachten Verkehrsaufkommens. Ergreifung von CO2-Kompensationsmaßnahmen und generell die Vereinbarung der Förderung von CO2-neutralen Verkehrsmitteln.
Möglich ist auch, als Vertragsanlage ein Nachhaltigkeitshandbuch vorzusehen und/oder eine grüne Hausordnung zu vereinbaren.
Zusammenfassung und Ausblick
Nachhaltigkeit bei Immobilien über den gesamten Lebenszyklus und damit beim Betrieb von Gebäuden wird notwendigerweise weiter an Bedeutung gewinnen.
Green Leases sind bisher in Österreich kaum verbreitet. Es besteht also großes Potenzial künftig ESG/Nachhaltigkeitsbestimmungen in Mietverträgen zu vereinbaren.
Aufgrund der wachsenden Bedeutung auch für Investoren sollten professionelle Mieter wie Vermieter als ersten Schritt erheben, wie „grün“ ihre Bestandverträge sind und wo möglicherweise Potenzial für umsetzbare Anpassungen liegt. Gleichzeitig sollte bereits jetzt beim Neuabschluss gerade von langfristigen Bestandverträgen die Chance wahrgenommen werden, Green Lease Elemente zu integrieren, um langfristig im Betrieb und für Exit-Strategien Vorteile zu nutzen.
Dabei kann es praktisch zu empfehlen sein, sich an den dargestellten bisher erarbeiteten Grundsätzen sowie entsprechenden Vertragsbestimmungen zu orientieren. Je nach Ausgangslage und Zielen der Vertragspartner sind dann individuell angepasste Bestimmungen zu erarbeiten und zu vereinbaren.