OGH: Aktuelles zu Entlassung und Verwertung von Mitarbeiterdaten
Co-Autorinnen: Mag. Eva Krichmayr; Theresa Weiss-Dorer, LL.M.
In einer aktuellen Entscheidung (OGH vom 23.5.2019, 6 ObA 1/18t) befasste sich der OGH mit der Zulässigkeit der Verwendung rekonstruierter privater Daten eines Arbeitnehmers in einem Entlassungsverfahren. Der OGH traf dabei wichtige Aussagen va zu den Begriffen der „Verarbeitung“ sowie der „personenbezogenen Daten“ iSd DSGVO, aber auch zu der Zustimmungspflicht des Betriebsrates bei der Einführung von technischen Kontrollmaßnahmen (§ 96 Abs 1 Z 3 ArbVG) und bei der Einführung von Systemen zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten (§ 96a Abs 1 Z 1 ArbVG). Das arbeitsgerichtliche Verfahren, in dem geklärt werden soll, ob die Entlassung berechtigt war oder nicht, wurde noch nicht rechtskräftig entschieden.
Sachverhalt
Der Kläger war ab April 2014 Geschäftsführer bei der beklagten Gesellschaft und wurde im April 2017 entlassen. Nach der Entlassung retournierte der Kläger den im Eigentum des ehemaligen Arbeitgebers stehenden Laptop, welcher dem Kläger während des Arbeitsverhältnisses zur Verfügung gestellt wurde. Bereits vor der Entlassung löschte der Kläger den Ordner „D:\privat“ von diesem Laptop. Der Ordner beinhaltete 25 Unterordner, aus deren Bezeichnung ebenfalls zu schließen war, dass sie privater Natur waren (zB: Unterordner B*****: Zahlungsbestätigungen samt Überweisung privat).
Seit 2001 bestand eine Betriebsvereinbarung, welche die Nutzung der firmeneigenen Hard- und Software zu privaten Zwecken verbietet, der Kläger hatte jedoch keine Kenntnis vom Inhalt dieser Betriebsvereinbarung und wurde auch nicht auf diese hingewiesen.
Nach der Retournierung des Laptops beauftragte der ehemalige Arbeitgeber die Rekonstruierung von Daten auf dem Laptop. Es konnten Teile der Daten wiederhergestellt werden (bspw die Ordnerstruktur des Ordners „D:\privat“), darunter Honorarnoten und E-Mails. Der Kläger hatte von seiner betrieblichen E-Mail-Adresse sowohl geschäftliche als auch private E-Mails versendet (diese waren nicht als „privat“ bezeichnet), die E-Mails wurden in der Folge auch ausgedruckt.
In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Verfahren begehrte der ehemalige Arbeitnehmer im Wesentlichen die Unterlassung jeglicher Verwendung seiner personenbezogenen Daten, welche aus dem Laptop ermittelt wurden sowie die Löschung der Daten und privaten E-Mails; weiters begehrte er den Widerruf des Vorbringens des ehemaligen Arbeitgebers im arbeitsgerichtlichen Verfahren, welches auf die seines Erachtens erfolgte Datenschutzverletzung zurückzuführen sei, insbesondere durch Rückziehung der vorgelegten privaten E-Mails und Honorarnoten, sowie die Zahlung von € 7.000 für die erlittene persönliche Kränkung.
Der OGH hielt in dem Verfahren ua fest, dass es sich bei den Daten zwar um „personenbezogene Daten“, nicht aber um „sensible Daten“ handle. Weiters bestehe, sobald der Zweck der Verwendung der Daten erfüllt ist, kein Grund mehr für eine weitergehende Aufbewahrung dieser Daten.
In dem noch nicht rechtskräftig entschiedenen arbeitsgerichtlichen Verfahren (derzeit beim LG Wiener Neustadt anhängig) begehrt der Kläger die Zahlung einer Kündigungsentschädigung, da er sE unrechtmäßig entlassen wurde. Der ehemalige Arbeitgeber behauptet jedoch eine dienstvertragswidrige nebenberufliche Tätigkeit des Klägers als Entlassungsgrund und legte drei Honorarnoten des Klägers aus den Jahren 2014 und 2015 als Beweis vor, wobei laut der Entscheidung des OGH der ehemalige Arbeitgeber nicht zur Rückziehung der vorgelegten privaten Daten und des Vorbringens in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren verpflichtet ist. Der ehemalige Arbeitgeber hat die Daten jedoch für die Zukunft zu löschen. Der OGH konnte keine Gründe feststellen, weshalb eine weitergehende Aufbewahrung der Daten durch den ehemaligen Arbeitgeber erforderlich wäre.
Aus dieser Entscheidung lässt sich weiters folgendes ableiten, wobei der OGH dabei nicht von seiner bisherigen Judikatur abweicht:
- Verarbeitung von Daten
Unter „Verarbeitung“ von Daten iSd DSGVO fällt auch die Speicherung, Verwendung, Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung. Der OGH hat bereits in einer früheren Entscheidung klargestellt, dass jede Benutzung von Computer, Internet oder E-Mail zur Anwendbarkeit der Verordnung führt, wenn personenbezogene Daten involviert sind. Sämtliche heute gebräuchlichen rechnergestützten Verarbeitungen personenbezogener Daten sind demnach von dem weiten Begriff der „Verarbeitung“ iSd DSGVO erfasst.
- Personenbezogene Daten und allgemeines Unterlassungsbegehren
Unter von der DSGVO geschützten, personenbezogenen Daten werden alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen, verstanden. Bei den in den E-Mails und Honorarnoten enthaltenen Informationen handelt es sich um derartige Informationen, die sich eindeutig auf eine identifizierte Person (den Kläger) beziehen. Da der Begriff der personenbezogenen Daten weit anzusehen ist, fällt auch die Ordnerstruktur des privaten Ordners in den Anwendungsbereich der DSGVO, weil die Datei durch die Namen der einzelnen (Unter-)Ordner dem Kläger zugeordnet werden kann.
Es gab keine Anhaltspunkte dafür, dass in den Honorarnoten, E-Mails oder in der Ordnerstruktur sensible Daten enthalten waren, weshalb keine Beurteilung nach Art 9 DSGVO (Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten), sondern nach Art 6 DSGVO (Rechtmäßigkeit der Verarbeitung) zu erfolgen hatte. Einer Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung der Daten nach Art 6 DSGVO bedurfte es allerdings dem OGH folgend ohnehin nicht. Im vorliegenden Verfahren ging es um die Verwendung der Daten ausschließlich im arbeitsgerichtlichen Verfahren; es gab keine Anhaltspunkte, dass der ehemalige Arbeitgeber die Daten in einem sonstigen Zusammenhang verwendet hätte oder dies beabsichtigte. Das allgemeine Begehren des Klägers, „jegliche Verwendung“ der Daten zu unterlassen, war daher verfehlt.
- Öffnungsklausel DSGVO
Nach Art 88 DSVGO können die MS spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten vorsehen. Der österreichische Gesetzgeber hat davon aktuell nicht Gebrauch gemacht. In diesem Fall findet die Öffnungsklausel des Art 88 DSGVO keine Anwendung, da es keine speziellen Regelungen im Arbeitsverfassungsgesetz gibt und der Kläger sich auch nicht auf speziellere Regelungen eines KV oder einer BV stützte.
Der OGH führte aus, dass § 96 Abs 1 Z 3 und § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG wiederum zwar bei der Einführung technischer Kontrollmaßnahmen oder bei der Einführung von Systemen zur automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten eine Zustimmungspflicht des Betriebsrats vorsehen, diese beiden Bestimmungen kommen jedoch (nur) zur Anwendung, wenn es sich um eine betriebsbezogene Kollektiv-Kontrolle und nicht bloß um eine individuelle Kontrolle handelt.
- Begehren auf Löschung
In einer früheren Entscheidung (6 Ob 131/18k) hat der OGH bereits ausgeführt, dass dadurch, dass der dortige Beklagte die personenbezogenen Daten der dortigen Klägerin in ausgedruckter Form dem Pflegschaftsgericht übermittelte, um (allenfalls) erfolgreich sein zu können, deren Zweck erfüllt wurde. In dieser früheren Entscheidung gab es keine Gründe für eine weitere Aufbewahrung der Daten durch den dortigen Beklagten. Auch in dem vorliegenden Verfahren gab es keine Gründe, weshalb eine weitere Aufbewahrung der Daten durch den ehemaligen Arbeitgeber erforderlich wäre – dem Löschungsbegehren des Klägers war somit stattzugeben.
Zusammenfassung
Im Ergebnis ist aus der vorgestellten Entscheidung des OGH abzuleiten, dass der OGH an seiner Rsp in Datenschutzsachen grundlegend festhält. Die Durchsetzung von Ansprüchen aufgrund der DSGVO vor Zivilgerichten ist erst im Beginnstadium, die weitere Entwicklung, gerade in Hinblick auf die diesbezüglichen Kompetenzen der Datenschutzbehörde, bleibt abzuwarten.
Bemerkenswert an der Entscheidung des OGH ist weiters, dass danach die § 96 Abs 1 Z 3 und § 96a Abs 1 Z 1 ArbVG, welche die Zustimmungspflicht des Betriebsrates vorsehen, demnach ausdrücklich (nur) zur Anwendung gelangen, wenn es sich um eine betriebsbezogene Kollektiv-Kontrolle und nicht bloß um eine individuelle Kontrolle handelt.
Für eine Antwort auf die spannende Frage, ob die Entlassung des ehemaligen Arbeitnehmers nun berechtigt war oder nicht, bleibt die Entscheidung in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren vor dem LG Wiener Neustadt abzuwarten. Die aus Sicht des Arbeitgebers belastenden Unterlagen dürfen in dem Verfahren nach der ggst Entscheidung jedenfalls verwendet werden.