(Un-)Vereinbarkeit von Polizeidrohnen und dem Recht auf Privatsphäre?
Seit einigen Monaten setzt die österreichische Polizei in allen Bundesländern Drohnen in ihrer Arbeit ein. Mittlerweile befinden sich ca 18 Drohnen im Testbetrieb. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn ein Überblick aus der Luft gefragt ist. Es soll damit eine schnellere Reaktionsmöglichkeit gewährleistet werden und gleichzeitig sollen kostenintensive Hubschraubereinsätze reduziert werden.
Die Drohnen ermöglichen der Polizei durch ihre qualitativ hochwertigen Echtzeitbilder (Video- und Bilddokumentation) die Überwachung von Gefahrenbereichen, Veranstaltungen (zB das Wiener Donauinselfest oder Demonstrationen), Unfall- und Katastrophenlagen und die Auffindung von Personen, Sachen und Verstecken. Die Drohnen dürfen nur von speziell ausgebildeten Polizisten gesteuert und müssen während des Einsatzes aus Sicherheitsgründen von sog „Spottern“ durchgehend (mittels Fernglas) beobachtet werden.
Doch wie sieht es bei diesen Einsätzen mit der Wahrung des Rechts auf Privatsphäre bzw Privatleben von Einsatz-unbeteiligten Personen aus? Darf die Polizei in das Wohnzimmerfenster hinein schauen?
Das Grundrecht auf Privatsphäre
„Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.“
Während das österreichische Verfassungsrecht die Privatsphäre eines Menschen nur punktuell vor gewissen Eingriffen schützt (bspw Unverletzlichkeit des Hausrechts, Brief- und Fernmeldegeheimnis), geben Art 8 EMRK und Art 7 GRC dem Privat- und Familienleben (der „Privatsphäre“) umfassenden Schutz. Das Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst insbesondere die „Privatheit“ des Lebens, dh das Recht, die Gestaltung des Privatlebens dem Blick der Öffentlichkeit und des Staates zu entziehen.
Durch dieses Grundrecht soll der Einzelne vor willkürlichen Eingriffen durch mitgliedstaatliche und unionale Organe in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und Kommunikation geschützt werden. Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden dadurch nicht nur verpflichtet diesem Recht widersprechende Eingriffe zu unterlassen, sondern werden diesen auch positive Pflichten auferlegt, wonach ein Handeln geboten sein kann (bspw die Einräumung bestimmter Rechte oder die Herstellung eines bestimmten Zustands zum Schutz der Privatsphäre).
Behördliche Eingriffe in das Privatleben sind nur unter den strengen Bedingungen des Art 8 Abs 2 EMRK bzw Art 52 GRC zulässig. Danach ist ein Eingriff nur dann zulässig, (i) wenn er gesetzlich vorgesehen ist. Er muss (ii) zu Zwecken der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ruhe und Ordnung, des wirtschaftlichen Wohls des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, des Schutzes der Gesundheit und der Moral oder des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer unbedingt notwendig sein. Jedenfalls (iii) muss der Eingriff verhältnismäßig (notwendig) sein.
Sind Polizeidrohnen mit dem Grundrecht (un-)vereinbar?
Drohnen sind datenschutzrechtlich dann relevant, wenn sie mit einer Kamera ausgestattet sind, weil sie so personenbezogene Daten ermitteln können.
Wesentlicher Anknüpfungspunkt für polizeiliche Verwaltungstätigkeiten, die in einem Zusammenhang mit einer Straftat stehen, ist die Datenschutz-Richtlinie für den Bereich Polizei und Justiz (DSRL-PJ). Die DSRL-PJ wurde im 3. Hauptstück des Datenschutzgesetzes (DSG) umgesetzt.
Diese RL enthält Bestimmungen zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder Strafvollstreckung, einschließlich des Schutzes vor und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit. Die im Rahmen dieser Tätigkeiten erhobenen Daten dürfen ausschließlich zum Zweck der Strafverfolgung oder des Schutzes und der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit verarbeitet werden. Die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu anderen als diesen Zwecken bedarf stets einer gesetzlichen Grundlage.
Hingegen unterliegen polizeiliche Verwaltungstätigkeiten, soweit sie nicht in Zusammenhang mit Straftaten stehen (bspw Versammlungswesen, Straßenpolizei), sowie polizeiliche Tätigkeiten zur Abwehr von Gefahren, die nicht in Zusammenhang mit Straftaten stehen (bspw Absicherung einer Unfallstelle), der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) bzw den allgemeinen Bestimmungen des DSG.
In bestimmten Fällen kann auch ein polizeilicher Einsatz teils in den Anwendungsbereich der DSGVO, teils in den Anwendungsbereich der DSRL-PJ fallen, etwa, wenn zunächst kein Konnex mit einer Straftat besteht, später jedoch ein Einschreiten zur Verhinderung/Verfolgung von Straftaten erforderlich wird (zB Einsatz von Zwangsmitteln bei einer Demonstration).
Aber unabhängig davon, in welchem rechtlichen Rahmenbereich die Polizei tätig wird, gilt:
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- Bei jedem polizeilichen Einsatz sind die Grundrechte und Grundfreiheiten, insb das Recht auf Achtung der Privatsphäre zu schützen.
- Ein Eingriff in das Recht auf Achtung der Privatsphäre ist nur im Rahmen der (oben genannten) engen Grenzen des Art 8 Abs 2 EMRK bzw Art 52 GRC zulässig.
- Sowohl der DSG-VO als auch der DSRL-PJ ist gemein, dass personenbezogene Daten ausschließlich für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden dürfen.
Ein zufälliges und gesetzlich nicht gedecktes „hereinschauen“ einer Polizeidrohne in das Wohnzimmerfenster ist vor diesem Hintergrund mit dem Recht auf Privatsphäre nicht vereinbar.
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Autorinnen: Dr. Stefanie Werinos-Sydow; Mag. Sandra Kasper; Mag. Theresa Karall