Beihilfenrecht in Zeiten von COVID-19 – EU Kommission erlässt befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen
Autor:innen: Dr. Stefanie Werinos-Sydow, Dr. Konstantin Köck LL.M. MBA (DUK) LL.M. (SCU)
In der aktuellen Krise spielen staatliche Maßnahmen eine entscheidende Rolle bei der Unterstützung von Unternehmen, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. Über die vom österreichischen Parlament beschlossenen Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, Härtefallfonds etc) haben wir bereits in unserem PwC Legal Blog berichtet.
Sind die beschlossenen Maßnahmen nicht allgemeingültig, sondern werden nur einzelnen Sektoren oder Unternehmen Unterstützungsleistungen gewährt, handelt es sich dabei um staatliche Beihilfen, die in aller Regel zuerst von der Europäischen Kommission zu genehmigen sind. Keine Beihilfen und daher auch nicht genehmigungspflichtig sind hingegen staatliche Entschädigungsleistungen, zB solche für Verdienstentgang wegen einer behördlich angeordneten Betriebsschließung nach dem Epidemiegesetz 1950.
Das europäische Beihilfenrecht ermöglicht es den Mitgliedstaaten, Unternehmen zu unterstützen, die mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen haben und dringend Rettungsbeihilfen benötigen. Nach Art 107 Abs 2 lit b AEUV können die Mitgliedstaaten Unternehmen für Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind, einen Ausgleich gewähren und auf dieser Grundlage auch Maßnahmen für die Luftfahrt und den Tourismus beschließen.
Aufgrund der aktuellen Corona-Krise und der damit verbundenen Einschränkungen des Wirtschaftslebens hat die Europäische Kommission zudem den Befristeten Rahmen für staatliche Beihilfen zur Stützung der Wirtschaft angesichts des derzeitigen Ausbruchs von COVID-19 beschlossen, der die bestehenden Möglichkeiten für staatliche Beihilfen ergänzt. Dieser Befristete Rahmen stützt sich auf Art 107 Abs 3 lit b AEUV, wonach Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats als mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen werden. Halten sich die Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Fördermaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise an die Vorgaben in diesem Rahmen, werden diese von der Europäischen Kommission in der Regel rascher als sonst genehmigt. Das war etwa beim aktuellen deutschen Maßnahmenpaket zur Unterstützung der Wirtschaft der Fall, das im Einklang mit dem befristeten Rahmen der Europäischen Kommission erlassen und von dieser binnen 48 Stunden genehmigt wurde.
Im Konkreten sieht der Befristete Rahmen der Europäischen Kommission fünf Arten von Beihilfen vor, die von den Mitgliedstaaten gewährt werden können:
1. Direkte Zuschüsse, rückzahlbare Vorschüsse oder selektive Steuervorteile
Die Mitgliedstaaten können Regelungen einführen, um einzelnen Unternehmen für die Deckung ihres dringenden Liquiditätsbedarfs bis zu EUR 800.000 zu gewähren.
2. Staatliche Garantien für Bankdarlehen an Unternehmen
Die Mitgliedstaaten können mit staatlichen Garantien dafür sorgen, dass die Banken Firmenkunden mit Liquiditätsbedarf weiterhin Kredite gewähren, um zur Deckung des unmittelbaren Betriebs- und Investitionsmittelbedarfs beizutragen.
3. Vergünstigte öffentliche Darlehen an Unternehmen
Die Mitgliedstaaten können Unternehmen zinsvergünstigte Darlehen gewähren, um diese bei der Deckung ihres unmittelbaren Betriebs- und Investitionsmittelbedarfs zu unterstützen.
4. Zusicherungen für Banken, die staatliche Beihilfen an die Realwirtschaft weiterleiten
Einige Mitgliedstaaten planen, Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere – über die bestehenden Darlehenskapazitäten der Banken zu unterstützen. In dem Befristeten Rahmen wird klargestellt, dass solche Fördermaßnahmen als direkte Beihilfen zugunsten der Bankkunden und nicht zugunsten der Banken selbst betrachtet werden. Zugleich wird erläutert, wie potenzielle Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Banken auf ein Minimum beschränkt werden können, etwa indem erzielte Vorteile von der Bank an die Begünstigten weiterzugeben sind.
5. Kurzfristige Exportkreditversicherungen
Der Rahmen erleichtert zudem den Mitgliedstaaten den Nachweis, dass bestimmte Länder nicht als Staaten mit marktfähigen Risiken anzusehen sind, sodass der Staat bei Bedarf kurzfristige Exportkreditversicherungen anbieten kann. Am 23. März 2020 leitete die Kommission eine dringliche öffentliche Konsultation ein, um zu ermitteln, ob angesichts der derzeitigen Krise infolge des Coronavirus-Ausbruchs von der öffentlichen Hand in breiterem Umfang kurzfristige Exportkreditversicherungen zur Verfügung gestellt werden sollten.
Die öffentliche Konsultation zielt insbesondere darauf ab, die Verfügbarkeit privater kurzfristiger Exportkreditversicherungen für Ausfuhren in all jene Staaten zu evaluieren, die in der Mitteilung über die kurzfristige Exportkreditversicherung von 2012 als Staaten mit marktfähigen Risiken aufgeführt werden. Je nach den Ergebnissen der Konsultation und unter Berücksichtigung der einschlägigen Wirtschaftsindikatoren kann die Kommission daraufhin beschließen, Staaten vorübergehend aus der Liste der Staaten mit marktfähigen Risiken zu streichen.
Der Befristete Rahmen gilt nur für Unternehmen, die nach dem 31.12.2019 in Schwierigkeiten geraten sind, und zudem nur bis Ende Dezember 2020. Zur Wahrung der Rechtssicherheit wird die Europäische Kommission allerdings vor Ablauf dieser Frist die Erforderlichkeit einer Verlängerung prüfen und eine solche gegebenenfalls vorsehen.
Daneben besteht die generelle Möglichkeit von Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen an notleidende Unternehmen. Die Kommission genehmigt solche Beihilfen allerdings nur nach umfassender Prüfung eines vom betroffenen Unternehmen vorzulegenden Umstrukturierungsplans. Ziel einer solchen Beihilfe ist es, die langfristige Rentabilität eines Unternehmens wiederherzustellen. Für die kurzfristige Beseitigung von Liquidationsengpässen, wofür derzeit die meisten Beihilfen gewährt werden, eignet sich eine solche allerdings kaum.
Sollten auch Sie von der Corona-Krise betroffen sein und eine der vom österreichischen Parlament beschlossenen Maßnahmen in Anspruch nehmen wollen, unterstützen Sie unsere Expertinnen und Experten von PwC Legal gerne bei der Antragstellung. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!