Nachhaltigkeit & Digitalisierung – Entwurf der Bauordnungsnovelle für Wien
Co-Autor: Mag. Elias Pressler
Die Novelle der Wiener Bauordnung ist noch bis 18. Mai 2020 in Begutachtung. Durch die Novelle soll insbesondere der Klimaschutz u.a. durch Erweiterung der Solarverpflichtung weiter gefördert sowie eine Rechtsgrundlage für die elektronische Abwicklung von Bauverfahren geschaffen werden.
Klimaschutz bei Stadtplanung
Bei der Stadtplanung sollen Ziele berücksichtigt werden, die dem Klimawandel entgegenwirken. Nachhaltiges Regenwassermanagement und Kreislaufwirtschaft sollen in den Katalog der Ziele aufgenommen werden.
Im Fachbeirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung soll künftig nun auch ein “Fachmann auf dem Gebiete des Klimaschutzes und Energiewesens” sitzen.
Systeme zur Nutzung umweltschonender Energieträger
Wesentliche Neuerung ist die Ausweitung verpflichtender Photovoltaik-Anlagen (“solare Energieträger”) auf alle Wohngebäude. Bisher galt diese Verpflichtung bereits bei neu errichteten Gewerbebauten. Die Verpflichtung besteht weiterhin nicht für Ein- und Zweifamilienhäuser.
Gemäß Novellierungsentwurf soll dabei 1 kWp pro charakteristischer Länge des Gebäudes (Maß für die Kompaktheit eines Gebäudes) und 1 kWp für je 300 m² konditionierter Brutto-Grundfläche (gemäß Definition der ÖNORM B 1800) vorgesehen werden.
Laut den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle ist Bei der Errichtung einer Photovoltaikanlage ist mit Kosten von ca. EUR 1.200 für eine Spitzen-Nennleistung von 1 kWp zu rechnen. Da durch diese Anlage pro Jahr von einer Energieersparnis von ca. EUR 200 auszugehen ist, besteht nach ca. 2-5 Jahren, je nach Gebäude eine Parität zwischen der Investition für die Anlage und dem Wert der Ersparnis.
Alternativ sind andere technische Systeme zur Nutzung umweltschonender Energieträger mit gleicher Leistung am Gebäude zu errichten.
Die Höhe der Verpflichtung für den Wohnbau soll so bemessen werden, dass der produzierte Strom unmittelbar im Haus verbraucht werden kann, zum Beispiel in den allgemeinen Hausteilen. Erklärte Absicht der Stadtregierung ist darüber hinaus, durch Förderungen Anreize zu schaffen, damit Bauwerber PV-Anlagen installieren, die über Mindestverpflichtung hinausgehen.
Auf Antrag hat die Behörde für einzelne Bauvorhaben von der Verpflichtung abzusehen, wenn ein solcher Einsatz aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen nicht zweckmäßig ist. Diese Gründe sind nachvollziehbar darzulegen.
Ladepunkte für Elektroautos
Die Stadt Wien hat sich zum Ziel gesetzt, den Autoverkehr in der Stadt bis zum Jahr 2050 auf alternative Antriebstechnologien umzustellen.
Gemäß EU Richtlinie 2018/844 sind Maßnahmen zur Förderung und Bereitstellung von Ladeinfrastruktur in Parkplätzen von Gebäuden zu setzen. Die vorgesehene Novelle des Wiener Garagengesetzes geht über die Verpflichtung aus der Richtlinie hinaus. Künftig soll bei der Errichtung von Garagen zur nachträglichen Schaffung von Ladeplätzen für Elektroautos eine Leerverrohrung zur Herstellung einer Stromversorgung der Stellplätze vorgesehen werden.
Beim Neubau von Nicht-Wohngebäuden, die über mehr als zehn Stellplätze verfügen, ist für jeden zehnten Stellplatz mindestens ein Ladepunkt sowie für mindestens jeden fünften Stellplatz eine solche Leerverrohrung zu errichten.
Beim Neubau von Wohngebäuden, die über mehr als zehn Stellplätze verfügen, ist für jeden dieser Stellplätze eine Leerverrohrung zu errichten.
Als Ladepunkt gilt die Schnittstelle auf einem Ladeplatz, mit der zur selben Zeit
entweder nur ein Elektrofahrzeug aufgeladen oder nur eine Batterie eines Elektrofahrzeugs ausgetauscht werden kann.
Digitalisierung im Bauverfahren
Laut Angaben der Stadt Wien erfolgen jährlich rund 13.000 Baueinreichungen.
Gemäß dem Entwurf der Novelle sollen künftig sämtliche Behördenschritte für die Abwicklung eines Bauverfahrens elektronisch erfolgen können. Das heißt, die Bauanzeige samt Bauplänen, das Ansuchen um Baubewilligung, die Anzeige des Baubeginns oder die Meldung der Fertigstellung können digital übermittelt werden.
Schon seit Juni 2019 können Bauansuchen online eingebracht werden. Bisher ist bei der digitalen Baueinreichung aber noch die Übermittlung einer Ausfertigung der Pläne auf Papier notwendig.
Die meisten Einreichunterlagen werden bereits jetzt digital erstellt. Nunmehr sollen die Unterfertigung der Baupläne durch den Bauführer und die Einbringung in Papierform entfallen, was zur weiteren Vereinfachungen in der Praxis führen soll.
Update (25.5.2020):
Der Österreichische Haus- und Grundbesitzerbund (ÖHGB) kritisiert die geplante Novelle der Bauordnung in seiner Reaktion. Die Verpflichtungen seien eigentumsfeindlich gegenüber privaten Immobilienbesitzern. Die Stadt solle zuerst bei den über 220.000 Gemeindewohnungen sowie allen öffentlichen Gebäuden die im Entwurf vorgesehenen Maßnahmen bzw. Verpflichtungen durchführen bevor man diese auf private Vorhaben überwälze.
Es wurde betont, dass selbstverständlich auch die heimischen Immobilieneigentümer den Klimaschutz und die Digitalisierung unterstützen wollten. Dazu werde aber z.B. hinsichtlich der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zunächst eine Absicherung benötigt, dass die Stromversorgung bei Stromspitzen gewährleistet sei.
Die Einrichtung des elektronischen Bauaktes wurde prinzipiell begrüßt. Dabei werden aber Regelungen für die Akteneinsicht gefordert, um später Rechtssicherheit beispielsweise für Erwerber zu gewährleisten.