Neues Restrukturierungsverfahren gegen drohende Pleiten
Im Jahr 2020 gingen trotz Pandemie die Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zu 2019 – auch dank zahlreicher staatlicher Maßnahmen – um knapp 40% zurück. Der Gesetzgeber verstärkt nun den Kampf gegen drohende Insolvenzen mit einem neuen Restrukturierungsverfahren. Ende Februar 2021 wurde der mit Spannung erwartete Entwurf für eine neue Restrukturierungsordnung (ReO) veröffentlicht, der auf einer EU-Richtlinie beruht. Die (gerichtlichen) Restrukturierungsverfahren nach der ReO sollen als frühzeitige, präventive Maßnahmen Insolvenzen abwenden und den Bestand von Unternehmen sichern.
Voraussetzungen
Einen Antrag auf Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens können alle Unternehmen (ausgenommen aus dem Finanzsektor) stellen, bei denen eine Insolvenz wahrscheinlich ist. Das wird insbesondere dann angenommen, wenn die Zahlungsunfähigkeit droht oder die Eigenmittelquote 8% unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt.
Restrukturierungsplan
Kernstück des Verfahrens ist ein vom insolvenzgefährdeten Unternehmen zu erstellender Restrukturierungsplan, der die konkreten Maßnahmen für die Restrukturierung enthält. Die Maßnahmen werden typischerweise insbesondere die Kürzung von Gläubigerforderungen betreffen, können aber auch (umfassende) Änderungen der Vermögenswerte oder der Kapitalstruktur vorsehen. Die möglichen Optionen schließen somit auch den Verkauf einzelner Vermögenswerte oder Geschäftsbereiche bis hin zur Veräußerung des gesamten Unternehmens ein.
Restrukturierungsbeauftragter
Grundsätzlich bleiben die jeweiligen Geschäftsführungsorgane auch während dem Restrukturierungsverfahren für das Management des Unternehmens zuständig (Verfahren in Eigenverwaltung). Allerdings kann das Gericht bestimmte Rechtshandlungen an die Zustimmung eines Restrukturierungsbeauftragten binden oder einem Restrukturierungsbeauftragten übertragen.
Gläubiger
Im Unterschied zu den derzeit in der Praxis gängigen außergerichtlichen Sanierungen ist es nicht erforderlich, dass sämtliche Gläubiger der Restrukturierung zustimmen. Vielmehr erfolgt die Abstimmung über den Restrukturierungsplan in Gläubigerklassen mit Mehrheitsentscheid (einfache Kopfmehrheit und 75% Forderungsmehrheit). Dabei gibt es sogar die Möglichkeit, einzelne Klassen zu überstimmen (sogenannter klassenübergreifender cram down). Sind von der Restrukturierung ausschließlich Finanzgläubiger betroffen, besteht die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens. Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern sind von der Restrukturierung jedenfalls ausgenommen.
Anteilseigner
Der Entwurf der ReO sieht – im Unterschied zu zahlreichen anderen modernen Restrukturierungsgesetzen in Europa – keine rechtlich zwingende Einbeziehung der Anteilseigner vor. Ob in der Praxis Restrukturierungspläne ohne Beitrag der Anteilseigener von den Gläubigern akzeptiert werden, wird die Zukunft zeigen und wohl von der Verhandlungsstärke der relevanten Stakeholder im konkreten Einzelfall abhängen.
Fazit
Außergerichtliche Sanierungen erzielen im Durchschnitt weit höhere Rückzahlungsergebnisse für alle Gläubiger als Insolvenzverfahren. Sie sind aber rechtlich riskanter und scheitern oft an einzelnen Gläubigern (Akkordstörern). Genau diesen Problemen könnte mit dem neuen Restrukturierungsverfahren begegnet werden. Ob sich das Verfahren in der Praxis tatsächlich bewähren wird, bleibt freilich abzuwarten. Schließlich gilt auch in der Krise: Prognosen sind schwierig, insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen.
Das Resturkturierungsteam von PwC Legal berät und vertritt Sie gerne bei allen Fragen rund um Sanierungen und Restrukturierungen.