Unterlassungsanspruch gegen den Lärm einer Seilbahn ist an sich nicht ausgeschlossen
Autorinnen: Dr. Stefanie Werinos-Sydow; Mag. Katharina Scholz; Mag. Theresa Karall; Mag. Sandra Kasper
Ausgangslage
Im gegenständlichen Fall wurde im Jahr 2017 eine Seilbahn nach den Bestimmungen des Seilbahngesetzes und nach Einholung der notwendigen baulichen Bewilligung mit einer Konzession für 40 Jahre genehmigt. Diese Gondelseilbahn wurde auf der Trasse eines ehemaligen Doppelsesselliftes errichtet. Die Kläger haben sich dem seilbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren als Parteien angeschlossen und die zu erwartenden höheren Schallimmissionen rechtzeitig eingewendet. Die Genehmigungsbescheide sehen grundsätzlich keine Höchstgrenzen für dB-Werte vor. Die Betreiberin der Seilbahn wurde aber nun vom OGH zur Unterlassung von Lärmimmissionen, welche das ortsübliche Maß – wie vom OGH festgestellt max 55 dB – übersteigen, verpflichtet.
Parteistellung
Im Zuge der vorliegenden Entscheidung hat sich der OGH näher mit der Parteistellung im seilbahnrechtlichen Konzessions- und Betriebsbewilligungsverfahren auseinandergesetzt. Dabei ist zu erwähnen, dass in solch einem Verfahren die Parteistellung nicht explizit geregelt ist und Nachbarn daher keine Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte einwenden können.
Demgegenüber sieht das seilbahnrechtliche Baugenehmigungsverfahren vor, dass die für die Ausstellung der Baugenehmigung zuständige Behörde über alle gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen und über alle sonst vom Bauvorhaben berührten Interessen zu entscheiden hat, soweit es sich nicht um zivilrechtliche Ansprüche handelt. Demnach können Nachbarn auch die Verletzung von subjektiv-öffentlichen Rechten, welche sich aus dem Seilbahngesetz ergeben, geltend machen. Die Rechtslage orientiert sich hierbei am Eisenbahnrecht und wendet die Bestimmungen des Eisenbahngesetzes analog an. Dies aufgrund dessen, da das Seilbahngesetz, ebenso wie das Eisenbahngesetz, Enteignungsmöglichkeiten sowie eine Betriebspflicht vorsieht. Eine Seilbahn als auch Eisenbahn ist somit nachbarrechtlich als gemeingewichtige Anlage (Anlage, an der ein besonderes öffentliches Interesse besteht) zu behandeln.
Der VwGH sieht in Lärm und anderen Immissionen keine nach dem Eisenbahngesetz – und somit auch nach dem Seilbahngesetz – gewährleisteten subjektiv-öffentliche Rechte, weil sie nicht aus öffentlich-rechtlichen Regelungen erwachsen, sondern allenfalls zivilrechtliche Ansprüche zum Gegenstand haben. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zum Eisenbahngesetz kann ein Eigentümer einer betroffenen Liegenschaft somit nur solche Nachteile einwenden, die untrennbar mit seinem Eigentum verbunden sind, durch die er unmittelbar beeinträchtigt ist und welche als subjektiv-öffentliche Nachbarrechte ausgebildet sind.
Anwendbarkeit des § 364a ABGB
Der OGH sieht in gemeingewichtigen Anlagen, trotz fehlender Parteistellung von Nachbarn, behördlich genehmigte Anlagen im Sinne des § 364a ABGB, wenn die Genehmigung der Anlagen zwar in einem Verfahren ohne Beteiligung von Nachbarn, aber mit amtswegiger Bedachtnahme auf Anrainerinteressen erfolgte. Da es sich bei einer Seilbahn um eine solche gemeingewichtige Anlage handelt, beschränkt sich die Duldungspflicht nach § 364a ABGB nur auf Immissionen, die für den Anlagenbetrieb typisch sind und sich auch nicht durch zumutbare Vorkehrungen vermeiden lassen. Somit können ortsunübliche und wesentliche Lärmimmissionen, welche auch nicht durch zumutbare Maßnahmen vermieden werden können, von einem betroffenen Nachbarn mittels Unterlassungsanspruch geltend gemacht werden.
Weiters hat der OGH in seiner Entscheidung festgehalten, dass selbst bei einem hohen wirtschaftlichen Verlust des Seilbahnbetriebes ein Kostenaufwand von EUR 55.000 für Lärmschutzmaßnahmen zumutbar sein kann.
Ergebnis
Nachbarn haben im seilbahnrechtlichen Konzessions- und Betriebsbewilligungsverfahren keine Parteistellung – im seilbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren hingegen kann die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte eingewendet werden. Davon ausgenommen ist jedoch die Einhaltung von Lärmgrenzen.
Die Geltendmachung eines nachbarrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß § 364a ABGB gegen Immissionen in Form von Lärm ist daher nach der jüngsten Entscheidung des OGH an sich nicht ausgeschlossen.
Es bleibt abzuwarten, ob und wie weitreichend diese Entscheidung zivilrechtliche Konsequenzen in Bezug auf jene bereits abgeschlossenen Verwaltungsverfahren haben wird, in denen Nachbarn oder sonstige Beteiligte Lärmimmissionen nicht einwenden konnten.
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