Änderungen im Eisenbahngesetz (EisbG) – Umsetzung der marktrelevanten Säule des vierten Eisenbahnpakets
Die Europäische Union hat im Jahr 2016 das sogenannte vierte Eisenbahnpaket erlassen. Dieses Eisenbahnpaket besteht aus einer „marktrelevanten Säule“ und einer „technischen Säule“. Es umfasst drei Richtlinien und drei Verordnungen; insbesondere die Richtlinie 2016/2370/EU zur Änderung der Richtlinie 2012/34/EU bezüglich der Öffnung des Marktes für inländische Schienenpersonenverkehrsdienste und der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur.
Ziele des vierten Eisenbahnpakets
Übergeordnetes Ziel des vierten Eisenbahnpakets ist, den Schienenverkehr in der EU attraktiver, innovativer und wettbewerbsfähiger gegenüber anderen Verkehrsträgern zu gestalten. Zudem soll die Dienstleistungsqualität verbessert und das Angebot für Bahnreisende vielseitiger gestaltet werden.
Vor allem die „marktrelevanten Säule“ des vierten Eisenbahnpakets soll die schrittweise Marktöffnung und Liberalisierung des Schienenverkehrs abschließen. Sie begründet ua (i) das allgemeine Recht von Eisenbahnunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, alle Arten von Personenverkehrsdiensten in der gesamten EU zu betreiben, (ii) legt Regeln zur Verbesserung der Unparteilichkeit bei der Steuerung der Eisenbahninfrastruktur und zur Verhinderung von Diskriminierung fest und (iii) führt den Grundsatz der obligatorischen öffentlichen Ausschreibung für öffentliche Dienstleistungsaufträge im Schienenverkehr ein.
Wesentlicher Teil zur Realisierung der „marktrelevanten Säule“ ist die Richtlinie 2016/2370/EU, welche bis zum 25.12.2018 in nationales Recht umzusetzen war.
Wie hat der österreichische Gesetzgeber die Richtlinie 2016/2370/EU konkret umgesetzt? Was sind die wesentlichen Änderungen und wie sieht es mit der strukturellen Trennung von Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen aus?
Als ersten Schritt zur innerstaatlichen Umsetzung des vierten Eisenbahnpakets wurde die Richtlinie 2016/2370/EU in Österreich durch Novellierung des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG; BGBl I Nr 60/2019) umgesetzt. Aus dieser Novelle sind va folgende Punkte hervorzuheben:
Vertikal integrierte Unternehmen
Die Richtlinie 2016/2370/EU und nun auch das EisbG sehen schwerpunktmäßig eine Verbesserung der Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur in vertikal integrierten Unternehmen vor. Dies erfolgt durch die Schaffung von organisatorischen, personellen und betrieblichen Entflechtungsregelungen.
Dem der Novelle vorangegangenen Initiativantrag (918/A XXVI GP) zufolge sind vertikal integrierte Unternehmen (§ 1d EisbG) „integrierte Eisenbahnunternehmen und solche Eisenbahninfrastrukturunternehmen (kurz: EIU), die in eine Unternehmensstruktur derart eingebunden sind, dass es aufgrund verschiedenster Interessenslagen wahrscheinlich ist, dass die Verwaltung der Eisenbahninfrastruktur nicht so optimiert ist wie bei Eisenbahninfrastrukturunternehmen, die keiner Kontrolle durch andere am Eisenbahnmarkt tätigen Eisenbahnunternehmen unterliegen.“ Somit handelt es sich ua dann um ein vertikal integriertes Unternehmen, wenn ein EIU, durch ein Eisenbahnverkehrsunternehmen (kurz: EVU) kontrolliert wird und dieses EVU gleichzeitig die Infrastruktur des EIV verwendet.
Integrierte Eisenbahnunternehmen sind gemäß § 1c EisbG jene Eisenbahnunternehmen, welche sowohl EIU als auch EVU sind.
Organisatorische Anforderungen
Gemäß dem neu eingefügten § 55c EisbG ist ein vertikal integriertes Unternehmen so zu organisieren, dass keine seiner anderen rechtlichen Einheiten (zB EVU) einen bestimmten Einfluss auf die Entscheidung des EIU hinsichtlich der wesentlichen Funktionen ausübt.
EIU haben von EVU und bei vertikal integrierten Unternehmen von anderen rechtlichen Einheiten rechtlich getrennt zu sein. Insbesondere dürfen nicht dieselben Personen gleichzeitig im Vorstand oder dieselben Personen Mitglied des Aufsichtsrates eines EIV und eines EVU sein.
Integrierte Eisenbahnunternehmen haben für die Funktion als EIU und für die Funktion als EVU voneinander getrennte Unternehmensbereiche einzurichten.
Darüber hinaus sind die wesentlichen Funktionen eines EIU, dh ihre Funktion als Zuweisungsstelle und als entgelterhebende Stelle, unabhängig wahrzunehmen. Das bedeutet, dass EVUs oder andere juristische Personen keinen bestimmenden Einfluss darauf nehmen dürfen.
Ausnahmetatbestände
Von den Trennungsmaßnahmen und den Anforderungen an die Unabhängigkeit von EIU gibt es neu eingeführte Ausnahmebestimmungen insbesondere in Hinblick auf lokale und regionale vernetzte Nebenbahnen.
Finanzielle Transparenz
Bereits im Rahmen der Umsetzung der Vorgänger-Richtlinie 2012/34/EU wurde festgelegt, dass es Trennungsmaßnahmen im Rechnungswesen (getrennte Gewinn- und Verlustrechnung und Bilanzen) von EIU und EVU geben muss, um insbesondere unzulässige Quersubventionen und andere Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Durch die Umsetzung der Richtlinie 2016/2370/EU wurden nun weitere Vorgaben zur finanziellen Transparenz und Unabhängigkeit zwischen EIU und EVU eingefügt.
So regelt § 55f EisbG ua, dass Einnahmen aus dem Betrieb eines EIU ausschließlich zur Finanzierung seiner eigenen Geschäftstätigkeit verwendet werden dürfen. EIU und EVU dürfen einander weder direkt noch indirekt ein Darlehen gewähren. Die Überprüfung der Einhaltung der in § 55f EisbG normierten finanziellen Trennungsmaßnahmen erfolgt durch die Schiene-Control Kommission.
Europäisches Netzwerk der Infrastrukturbetreiber
Das Haupteisenbahninfrastrukturunternehmen (in Österreich ist dies die ÖBB-Infrastruktur AG) wird im Rahmen eines europäischen Netzwerkes der Infrastrukturbetreiber zur Zusammenarbeit mit anderen Haupteisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet. Der Fokus dieser Zusammenarbeit liegt insbesondere auf dem Ausbau der Eisenbahninfrastruktur, der Förderung der Einführung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums und dem Austausch bewährter Praktiken.
Zugang zur Eisenbahninfrastruktur
Das bisher nur auf EVU mit Sitz in Österreich beschränkte Recht auf Erbringung von inländischen Eisenbahnverkehrsdiensten im Personenverkehr wird auf alle im europäischen Eisenbahnraum tätigen EVU ausgeweitet.
Fazit
Auch nach der Umsetzung der Richtlinie 2016/2370/EU in nationales Recht bleibt die Möglichkeit bestehen, integrierte Eisenbahnunternehmen und vertikal integrierte Unternehmen, welche sowohl EIU und EVU sind, zu betreiben. Klar ist, dass es strenge Unabhängigkeitsvorschriften und Trennungsmaßnahmen zwischen EIU und EVU gibt, dies insbesondere in Hinblick auf den diskriminierungsfreien Zugang zur Schieneninfrastruktur. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die konkrete praktische Anwendung der novellierten Bestimmungen des EisbG 1957 noch ungewiss.
Fest steht jedoch, dass die Umsetzung der Richtlinie 2016/2370/EU ein weiterer Schritt zur Liberalisierung und Vereinheitlichung des europäischen Eisenbahnnetzes ist.
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Autorinnen: Dr. Stefanie Werinos-Sydow; Mag. Sandra Kasper; Mag. Theresa Karall