Der hypothekarisch besicherte Security Token – Vision oder Realität?
Autor: Mag. Stefan Paulmayer
Immer noch gehören Kryptowährungen und Token zu den Top-Themen. Während der Hype von 2016 bis 2018 um die sogenannten Utility Tokens abgeflaut ist, sind nunmehr die sogenannten Security Token „the next big thing“. Mit Security Tokens soll Investoren die Möglichkeit geboten werden, in tatsächliche Werte zu investieren. Dies unterscheidet Security Tokens von Utility Tokens, die wirtschaftlich – wie Gutscheine – lediglich den Bezug von zumeist Dienstleistungen über Plattform-Lösungen vermittelt haben.
Die bislang vorherrschenden Beispiele für Security Token sind vorwiegend tokenisierte Genussrechte. Spannend wird das Thema freilich dann, wenn man „reale“ Werte (sprich: Liegenschaften) als Basis für Security Token verwenden möchte. Das österreichische Grundbuch ist nicht für eine überbordende Flexibilität, sondern eher für strenge Formvorschriften bekannt.
Grund genug, sich zu überlegen, ob es im österreichischen Recht Möglichkeiten gibt, Security Token durch Liegenschaften zu besichern:
Kurzzusammenfassung
Die kurze Antwort lautet: Ja. Das österreichische Recht bietet bereits heute Regelungen, die herangezogen werden könnten, um Security Token zu emittieren, die durch Hypotheken besichert werden.
Wie geht das? – Wir haben die Eckpunkte zusammengefasst:
- Der Security Token müsste in Form einer Teilschuldverschreibung (und wirtschaftlich in Form eines Darlehens) ausgestaltet sein. Dies impliziert, dass die Security Token rückzahlbar und verzinst sein müssten.
- In einem Pfandvertrag, der den Bedingungen der Zeichnung des Security Token anzuschließen ist, wäre die Bestellung eines Gemeinsamen Vertreters iSd § 15a Kuratorengesetzes (KurG) vorzusehen.
- Folgt man diesem Konzept, würden die Token-Inhaber direkt das Pfandrecht halten – ohne jedoch selbst ins Grundbuch eingetragen zu sein. Vielmehr würde der Gemeinsame Vertreter ins Grundbuch eingetragen. Auch bei Weiterveräußerung der Security Token wäre keine Eintragung oder Richtigstellung im Grundbuch erforderlich.
Solcherart strukturierte Security Token würden sich insbesondere als Alternative zu einer herkömmlichen Anleihen-Finanzierung von Immobilienprojekten eignen.
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Nachfolgend finden interessierte Leser eine nähere Vorstellung dieses Konzepts für einen hypothekarisch besicherten Security Token:
Ausgangsbasis – Wie funktionieren Hypotheken?
Sicherheiten an Liegenschaften werden in Österreich durch im Grundbuch eingetragene Hypotheken begründet. Wie bei Pfandrechten üblich, erfordert die Eintragung im Grundbuch als Pfandgläubiger, dass der Pfandgläubiger auch eine eigene Forderung besitzt, die durch das Pfandrecht besichert werden soll.
Außer in wenigen Sonderfällen erfordert jede Übertragung der besicherten Forderungen, dass der Grundbuchstand richtiggestellt und der neue Pfandgläubiger eintragen wird.
Dies sind nicht die besten Voraussetzungen, um Security Token durch Hypotheken zu besichern. Die Formalerfordernisse des österreichischen Grundbuchs konterkarieren die bei Security Token beabsichtigte leichte und schnelle Übertragbarkeit. Ganz zu schweigen davon, dass Security Token üblicherweise für den Vertrieb an mehrere Investoren gedacht sind – was die Logistik einer wirksamen Pfandbestellung nur noch weiter erschwert.
Lösungsansätze aus der „traditionellen“ Banking & Finance-Welt
Freilich sind die oben beschriebenen Formalprobleme nicht auf die „neue Welt“ der digitalen Werteinheiten beschränkt – ähnliche Probleme tauchen auch bei syndizierten Krediten immer wieder auf, wo eine Mehrheit von Kreditgebern eine Absicherung durch Pfandrechte sucht.
Eine anerkannte Lösung, um in Fällen einer Vielzahl von Gläubigern ein Pfandrecht zu bestellen, ist häufig die Einsetzung eines sogenannten „Security Agent“ (Sicherheitentreuhänders). Dieser soll stellvertretend für alle Kreditgeber die Sicherheiten halten und verwalten. Aufgrund der Anforderungen des österreichischen Zivilrechts benötigt dieser Sicherheitentreuhänder jedoch für die wirksame Bestellung eines Pfandrechts eine eigene wirksame Forderung gegenüber dem Kreditnehmer.
Sofern einer der Kreditgeber diese Rolle wahrnimmt, hat er zumindest für seinen Anteil am Kredit eine solche Forderung – betraglich wäre ein Pfandrecht damit freilich auf den Anteil dieses Kreditgebers beschränkt. Wie also kann man Pfandrechte in voller Höhe aller aushaftenden Kreditanteile schaffen?
Hierfür haben sich im Wesentlichen zwei Lösungsansätze durchgesetzt:
- Im Kreditvertrag wird eine Gesamtgläubigerschaft zugunsten des Sicherheitentreuhänders vereinbart. Er somit mit allen sonstigen Kreditgebern Gesamtgläubiger der Schuld des Kreditnehmers.
- Es wird eine sogenannte „Parallel Debt“-Abrede getroffen. Dieses Konzept einer Parallelschuld etabliert eine abstrakte Verbindlichkeit des Kreditnehmers zugunsten des Sicherheitentreuhäners im Ausmaß des gesamten Kreditbetrags. Da abstrakte Verbindlichkeiten der österreichischen Rechtsordnung aber – bis auf wenige Ausnahmen – fremd sind, unterliegt die Parallelschuld oft englischem oder deutschem Recht.
Wenn Sie ob dieser Ausführungen nur „Bahnhof verstehen“, dann untermauert dies bloß, dass die vorliegenden Konzepte kompliziert sind. Das muss doch einfacher gehen!
Der Kaiser wird es richten – Der „Gemeinsame Vertreter“ nach Kuratorengesetz
Ein bis zur Insolvenz der A-Tech Industries im Jahr 2010 relativ unbekanntes Gesetz aus dem Jahre 1874 bietet eventuell einen praktikablen Lösungsansatz.
Gemäß den Bestimmungen des Kuratorengesetzes (KurG) kann nämlich ein Pfandrecht zugunsten von Gläubigern von Teilschuldverschreibungen ins Grundbuch einverleibt werden. Der Clou dabei: Ins Grundbuch ist in diesem Fall nicht jeder Gläubiger persönlich einzutragen. Vielmehr kann in der Pfandbestellungsurkunde ein „Gemeinsamer Vertreter“ bestellt werden. Dieser wird als Vertreter der Gläubiger ins Grundbuch eingetragen.
Der Vertreter hält dabei nicht als Pfandgläubiger das Pfandrecht für die Gläubiger – er ist also kein klassischer Sicherheitentreuhänder bzw Security Agent. Vielmehr hat jeder Gläubiger sein eigenes Pfandrecht. Dies ist einer der wenigen Fälle nach österreichischem Recht, in denen der Inhaber eines dinglichen Rechts an einer Liegenschaft nicht persönlich im Grundbuch eingetragen sein muss.
Wie kann also ein Security Token durch eine Hypothek besichert werden?
Zugegeben – als das KurG im Jahre 1874 erlassen wurde, hat der Gesetzgeber keine digitalen Werteinheiten wie Security Token vor Augen gehabt. Ist es also nicht unseriös, ein Gesetz, bei dessen Erlassung der Gesetzgeber eindeutig keine Tokens vor Augen haben konnte, auf ebendiese anzuwenden?
Mitnichten – als das KurG erlassen wurde, gab es auch keine im Effektengiro gehandelten Wertpapiere. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie de-materialisiert sein können. Dies bedeutet, dass es keine einzelnen physischen Wertpapiere mehr gibt, die der Anleger in Händen hält. Vielmehr handelt es sich bei solchen Wertpapieren um Buchungszeilen auf Online-Depots. Sogar Sachenrechte können durch simple Einträge im Online-Depot übertragen oder begründet werden – ohne dabei traditionelle Anforderungen des Sachenrechts erfüllen zu müssen. Die überwiegende Mehrheit aller in der modernen Zeit emittierten Anleihen sind im Effektengiro gehandelte Wertpapiere.
Es ist unzweifelhaft, dass das KurG auf im Effektengiro handelbare Wertpapiere anwendbar ist. Die soeben beschriebenen Merkmale von im Effektengiro übertragenen Wertpapieren – insbesondere die De-Materialisierung – sind ebenso bei Security Token vorzufinden.
Auch verlangt das KurG nicht ausdrücklich, dass „übertragbare Wertpapiere“ ausgegeben wurden. Vielmehr ist das KurG „auf Inhaber lautende Teilschuldverschreibungen“ anwendbar.
Das Gesetz selbst erklärt auch anhand von Beispielen, was unter Teilschuldverschreibungen verstanden werden soll: „Partialobligationen“ oder auch „Lose“ sind von diesem Begriff erfasst.
Auch wenn in der bisherigen Praxis zumeist klassische Anleihen unter den Anwendungsbereich des Gesetzes subsumiert wurden, scheint die Anwendung KurG auf Security Token somit sehr wohl denkbar. Wenn Security Token ähnlich einer Anleihe ausgestaltet sind, könnte wohl vom Vorliegen einer Partialobligation iSd § 1 KurG gesprochen werden.
Dazu wird es notwendig sein, dass das Gesamt-Emissionsvolumen durch eine festgesetzte Anzahl von Security Token geteilt wird – jeder Security Token stellt somit eine Partialobligation der gesamten Emission dar.
Da die Teilschuldverschreibungen nach dem Wortlaut des KurG ein „Darlehen“ repräsentieren, müssten die Security Token rückzahlbar sein. Überdies nimmt das Schrifttum zum KurG an, dass die Teilschuldverschreibungen verzinst sein müssen. Die Verzinsung kann freilich ähnlich einer Nullkupon-Anleihe durch einen höheren Rückzahlungsbetrag abgedeckt sein.
In einem Pfandvertrag, der den Bedingungen der Zeichnung des Security Token anzuschließen ist, ist die Bestellung des Gemeinsamen Vertreters iSd § 15a KurG vorzusehen.
Fazit
Das Konzept für einen hypothekarisch besicherten Security Token kann daher wie folgt zusammengefasst werden:
- Security Token sollten grundsätzlich dem KurG unterliegen können.
- Damit Security Token dem KurG unterliegen könnten, müssten sie die inhaltliche Qualität von Teilschuldverschreibungen aufweisen.
- Wirtschaftlich muss der Security Token ein Darlehen sein. Dies erfordert, dass die Token-Inhaber Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung haben.
- Security Token, die diesen Anforderungen erfüllen, könnten hypothekarisch besichert werden.
- Die einzelnen Inhaber der Security Token hätten einen selbstständigen dinglichen Anspruch aus der Hypothek.
- Eine Eintragung der einzelnen Inhaber der Security Token im Grundbuch fände nicht statt. Stattdessen würde der Gemeinsame Vertreter nach § 15a KurG ins Grundbuch eingetragen.
- Security Token sind frei übertragbar. Jeder neue Inhaber dieser Security Token hielte das Pfandrecht direkt. Eine Richtigstellung des Grundbuchstands wäre nicht erforderlich.
Solcherart emittierte Security Token eignen sich somit bspw als Alternative zu klassischen besicherten Anleihen im Immobilienbereich.
PwC Legal begleitet Sie gerne bei Durchführung einer solchen Security Token Emission.
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Im Rahmen des FIBREE TOKEN-WORKSHOP im sidetrack zur Blockchain Real am 21.5.2019 wird das Konzept zum hypothekarisch besicherten Security Token mit den Teilnehmern näher diskutiert.
Eine wissenschaftliche Aufarbeitung des Themas wird auch im Handbuch „Kryptowährungen – Krypto-Assets, ICOs und Blockchain – Recht – Technik – Wirtschaft“ enthalten sein. Dieses wird im Herbst erscheinen und kann unter ISBN 978-3-7089-1781-8 vorbestellt werden.
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