Neue Regeln für Crowdfunding – ECSP-VO und Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz
Die Verordnung (EU) 2020/1503 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen (ECSP-VO) wurde am 20.10.2020 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und gilt seit 10.11.2021. Die ECSP-VO harmonisiert den unionsweiten Rechtsrahmen für die Erbringung von Crowdfunding-Dienstleistungen und soll Crowdfunding attraktiver machen und den Anlegerschutz erhöhen. Mit dem am 31.12.2021 – verspätet – in Kraft getretenen Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz und den zeitgleich erlassenen Änderungen des Kapitalmarktgesetzes 2019 (KMG 2019) und des Alternativfinanzierungsgesetzes (AltFG) wurde die ECSP-VO in Österreich anwendbar gemacht.
Crowdfunding hat sich – neben klassischen Bankfinanzierungen – in den letzten Jahren als wichtige Finanzierungsquelle etabliert. Crowdfunding-Dienstleister bringen dabei über eine Plattform Projektträger:innen mit Finanzierungsbedarf und Investor:innen zusammen.
Ein europaweit einheitlicher Regulierungsrahmen, der eine EU-weite grenzüberschreitende Erbringung von Crowdfunding-Dienstleistungen (Crowdfunding-Plattformen) ermöglicht hätte, fehlte bislang. Darüber hinaus stellten sich in Österreich konzessionsrechtliche Herausforderungen (mögliches unerlaubtes Bankgeschäft), wodurch sich Crowdfunding im Wesentlichen auf die Gewährung qualifiziert nachrangiger Darlehen fokussierte, da diese kein Bankgeschäft darstellen und somit keine Konzessionspflicht nach dem Bankwesengesetz (BWG) auslösen. Beide Einschränkungen haben sich erfreulicherweise durch die ECSP-VO geändert und erhöhen die Attraktivität von Crowdfunding sowohl für Finanzierungswerber als auch für Investor:innen.
Anwendungsbereich der ECSP-VO
Der Anwendungsbereich der ECSP-VO erstreckt sich auf Schwarmfinanzierungsdienstleistungen (und damit verbundene Dienstleistungen) für Projektträger:innen, die Unternehmen (dh keine Verbraucher) sind, sofern der Gesamtgegenwert der Schwarmfinanzierungsangebote über einen Zeitraum von 12 Monaten EUR 5 Millionen nicht überschreitet.
Schwarmfinanzierungsdienstleistung bedeutet dabei die Zusammenführung von Geschäftsfinanzierungsinteressen von Anleger:innen und Projektträger:innen mithilfe einer Schwarmfinanzierungsplattform durch (i) die Vermittlung von Krediten und (ii) die Platzierung von übertragbaren Wertpapieren und für Schwarmfinanzierungszwecke zugelassenen Instrumenten, die von Projektträger:innen (oder einer Zweckgesellschaft) ausgegeben wurden, sowie die diesbezügliche Annahme und Übermittlung von Kund:innenaufträgen.
Qualifizierte Nachrangdarlehen, die sich in Österreich – trotz des besonders hohen Verlustrisikos für Investor:innen – aus den erwähnten konzessionsrechtlichen Gründen bislang als primäres Crowdfunding-Instrument etabliert haben, gelten mangels unbedingter Rückzahlungsverpflichtung nicht als Kredite iSd ECSP-VO und verbleiben daher im Anwendungsbereich des AltFG. Dasselbe gilt für Emissionen von nicht von der ECSP-VO erfassten Veranlagungen wie etwa Kommanditbeteiligungen oder Genussrechten, von Wertpapieren, die nicht über eine Internetplattform erfolgen sowie von Wertpapieren, die von einem/r Verbraucher:in emittiert werden.
Konzessionsrechtliche Aspekte
Die ECSP-VO verlangt, dass im Zusammenhang mit der Erbringung von kreditbasierten Schwarmfinanzierungsdienstleistungen durch zugelassene Schwarmfinanzierungsdienstleister die Aufnahme von Mitteln durch Projektträger:innen sowie die Vergabe von Mitteln durch Anleger keinem Konzessionserfordernis gemäß den nationalen Rechtsvorschriften unterliegt. Dementsprechend sieht § 11 des Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetzes für diese Fälle eine Ausnahme von der Konzessionspflicht nach dem BWG vor.
Was anlagebasierte Schwarmfinanzierungen betrifft, stellen die Wertpapierplatzierung sowie die Annahme und Übermittlung von Aufträgen über Wertpapiere grundsätzlich Wertpapierdienstleistungen iSd Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) und in Österreich eine Wertpapierdienstleistung gemäß Wertpapieraufsichtsgesetz 2018 (WAG 2018) bzw die Wertpapierplatzierung ein Bankgeschäft gemäß BWG (Loroemissionsgeschäft) dar. Die ECSP-VO nimmt zugelassene Schwarmfinanzierungsdienstleister diesbezüglich vom Anwendungsbereich der MiFID II aus. Eine ausdrückliche Ausnahme von der Konzessionspflicht gemäß WAG 2018 bzw BWG wurde im Rahmen des Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetzes leider verabsäumt. Hier deshalb eine Konzessionspflicht anzunehmen, würde uE jedoch den vollharmonisierten Vorgaben der direkt anwendbaren ECSP-VO widersprechen. Soweit ersichtlich wird das Bestehen einer solchen Ausnahme auch von der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) nicht in Zweifel gezogen (siehe etwa die Informationen zu europäischen Crowdfunding-Dienstleistern nach der ECSP-VO auf der Website der FMA).
Eine vergleichbare Thematik stellt sich iZm der österreichischen Besonderheit, dass auch die Kreditvermittlung für Schwarmfinanzierungsdienstleister eine Bankkonzession erforderlich machen kann (sofern keine der im BWG vorgesehenen Ausnahmen vorliegt), für die weder die ECSP-VO noch das Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz eine ausdrückliche Ausnahme vorsieht. So verbleiben in Österreich auch auf Basis des Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetzes leider gewisse aufsichtsrechtliche Unsicherheiten.
Im Gegenzug zu den konzessionsrechtlichen Erleichterungen müssen Schwarmfinanzierungsdienstleister nunmehr eine Zulassung gemäß ECSP-VO erlangen. Im Zuge des – im Wesentlichen anderen Aufsichtsregimen wie insbesondere der MiFID II nachgebildeten und durchaus anspruchsvollen – Zulassungsverfahrens sind unter anderem ein Geschäftsplan, eine Beschreibung der Regelungen zur Unternehmensführung und der internen Kontrollmechanismen, der Systeme, Mittel und Verfahren zur Kontrolle und Sicherung der Datenverarbeitungssysteme, der operationellen Risiken, des Plans zur Geschäftsfortführung im Krisenfall sowie diverser weiterer Verfahren vorzulegen, die erforderlichen Eigenmittel nachzuweisen und die Zuverlässigkeit und fachliche Eignung der für die Geschäftsleitung verantwortlichen Personen zu bescheinigen.
In Österreich ist gemäß Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz – wenig überraschend – die FMA für die Zulassung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern sowie für die laufende Aufsicht über diese verantwortlich. Die FMA empfiehlt Zulassungswerbern aufgrund der technischen Komplexität und Neuartigkeit von ECSP-Plattformen einen Antrag auf Aufnahme in die Regulatory Sandbox zu stellen.
Befreiung von der Prospektpflicht bis EUR 5 Millionen, Anlagebasisinformationsblatt gemäß ECSP-VO
Eine wesentliche Neuerung der ESCP-VO liegt in der Befreiung von der Prospektpflicht gemäß Verordnung (EU) 2017/1129 (Prospekt-VO) für Crowdfunding-Angebote im Anwendungsbereich der ECSP-VO, dh bis zu einem Finanzierungslimit von EUR 5 Mio über einen Zeitraum von 12 Monaten. Parallel dazu wurden Schwarmfinanzierungsangebote, die in den Anwendungsbereich der ECSP-VO fallen, vom Anwendungsbereich des KMG 2019 und des AltFG ausgenommen und unterliegen somit auch nach diesen Gesetzen nicht der Pflicht zur Erstellung eines Veranlagungsprospektes bzw AltFG-Informationsblattes (sind aber in bestimmte Betragsgrenzen einzurechnen). Auch eine Meldung von Schwarmfinanzierungsangeboten an den Emissionskalender der OeKB ist daher nicht erforderlich.
Statt eines Prospektes sieht die ESCP-VO ein genormtes Anlagebasisinformationsblatt mit höchstens sechs DIN-A4-Seiten vor, das von dem/r Projektträger:in erstellt werden und auf die Besonderheiten von kreditbasierter und anlagebasierter Schwarmfinanzierung eingehen muss. Das Schwarmfinanzierung-Vollzugsgesetz enthält diesbezüglich gewisse Konkretisierungen und schafft die Grundlage für eine umfassende Haftung des/r Projektträgers:in für die darin enthaltenen Informationen gegenüber den Anlegern.
Europäischer Pass- grenzüberschreitende Tätigkeit
Als einer ihrer großen Vorteile ermöglicht die ESCP-VO zugelassenen Schwarmfinanzierungsdienstleistern innerhalb der EU eine grenzüberschreitende Tätigkeit mittels „Europäischen Passes“. Dieses – ebenfalls aus anderen Aufsichtsregimen bekannte Passporting-Konzept – erfordert lediglich eine Notifikation der nationalen Aufsichtsbehörde, die die darin aufzunehmenden Angaben innerhalb von zehn Arbeitstagen an die zuständigen Behörden des Mitgliedstaates, in denen der Schwarmfinanzierungsdienstleister tätig werden will, und an die ESMA weiterleitet, wonach die grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung in den bekanntgegebenen Mitgliedstaaten aufgenommen werden kann.
Technische Standards
Die ECSP-VO soll durch verschiedene Regulatory Technical Standards (RTS) bzw Implementing Technical Standards (ITS) der European Banking Authority (EBA) und der European Securities and Markets Authority (ESMA) ergänzt, zu denen vorerst Entwürfe vorliegen.
Wie wir Sie unterstützen können: Das Financial Services & Kapitalmarktrechts Team von PwC Legal berät regelmäßig Kund:innen iZm den Anforderungen und Erleichterungen gemäß ECSP-VO sowie den diesbezüglichen österreichisch-rechtlichen aufsichts- und kapitalmarktrechtlichen Vorgaben. Wir unterstützen auch Sie gerne im Zusammenhang mit allen rechtlichen Herausforderungen rund um das Thema Crowdfunding!