Zivilrecht-Update: Roboterhaftung?
Co-Autorin: Mag. Sabine Brunner, LLB.oec.
Wer haftet für Schäden beim Einsatz künstlicher Intelligenz?
Wir durchleben aktuell die vierte industrielle Revolution, kurz „Industrie 4.0“ genannt, in der Maschinen ein fixer Bestandteil aller Produktionsabläufe sind. Forschung und Entwicklung haben diese Maschinen nicht nur leistungsfähiger gemacht, sondern insbesondere auch deren Automatisierungsgrad erhöht – wir sprechen in diesem Zusammenhang von „künstlicher Intelligenz“.
Mittlerweile kommen solche automatisierten Maschinen oder Roboter in den unterschiedlichsten Branchen zum Einsatz, allem voran in Industrie, Handel, Gesundheit, Verkehr, Landwirtschaft – und es ist davon auszugehen, dass sich der Einsatz von Robotern angesichts der rasanten Entwicklungen in diesem Bereich noch signifikant erweitern wird. Doch wer haftet letztlich für Schäden, die sich beim Einsatz von solchen Maschinen realisieren können?
Wir haben die wichtigsten Aspekte überblicksmäßig für Sie zusammengefasst:
(1) Allgemeine Haftungsregeln nach dem ABGB
Dem Grundgedanken des allgemeinen Schadenersatzrechts folgend, wie er Eingang in das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) gefunden hat, setzt – vereinfacht gesprochen – eine schadenersatzrechtliche Einstandspflicht
- das Vorliegen eines (ersatzfähigen) Schadens,
- die Kausalität, genauer: Zurechenbarkeit eines Verhaltens für den entstandenen Schaden,
- wobei das Verhalten des Schädigers rechtswidrig gewesen sein muss, sowie
- das Verschulden des Schädigers
voraus.
Womit zugleich ein wesentlicher Kerngedanke des österreichischen Schadenersatzrechts angesprochen ist: Anknüpfungspunkt für eine Haftung ist stets ein menschliches Verhalten, das den Schaden verursacht. Schäden, die sich beim Einsatz eines „autonom handelnden“ bzw „selbst entscheidenden“ Roboters realisieren, scheinen sich nicht unmittelbar auf menschliches Verhalten zurückführen zu lassen. Wobei auch dieser Aspekt in der Einfachheit nicht richtig ist. Als Schadensverursacher kommen selbstverständlich die Personen in Frage, die den Roboter (fehlerbehaftet) herstellten, (fehlerhaft) bedienten, verwendeten etc.
Für genau solche Fälle bietet das Gesetzesrecht – wenn sicherlich auch keineswegs vollumfänglich perfekte – Lösungen an. Unter anderem sei an das PHG erinnert, sofern es den Hersteller des Roboters betrifft [hierzu unter 2.)]. Wie ist jedoch mit jenen Fällen umzugehen, in denen trotz Programmierung oder Bedienung nach dem aktuellen Stand der Technik ein Schaden herbeigeführt wird? Bleibt man beim gesetzlichen Grundkonzept des ABGB stehen, scheint die Frage auf den ersten Blick leicht zu beantworten zu sein: Weder die Nutzung noch die In-Verkehr-Bringung von Sachen, die diesem Standard entsprechen, dürften einen Verschuldensvorwurf begründen.
Zweifel an diesem Ergebnis können jedoch dann bestehen, wenn auch nach dem Stand der Technik „Fehlentscheidungen“ eines Roboters nicht ausgeschlossen sind. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob diese potentielle Fehlerquelle, die im Stand der Technik selbst begründet liegt, einen individuellen Sorgfaltsvorwurf zu begründen vermag. Insbesondere vor diesem Hintergrund sollten folgende Aspekte beachtet werden:
Vorwerfbare Pflichtverletzungen in einer Vertragsbeziehung können den Ersatz von Vermögensschäden nach sich ziehen. Hierzu gehört im unternehmerischen Bereich auch der Ersatz des entgangenen Gewinns. Es empfiehlt sich jedenfalls, für solche Haftungsfragen vertragliche Vorkehrungen zu treffen. Der Ersatz von Personenschäden kann jedoch niemals wirksam ausgeschlossen werden.
(2) Sonderregeln zur Produkthaftung
Parallel zur Verschuldenshaftung nach dem ABGB sollte im Zusammenhang mit Robotern auch die verschuldensunabhängige Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz (PHG) einer näheren Betrachtung unterzogen werden.
Gemäß § 1 PHG haftet der Hersteller eines Produkts für dessen Fehler, wenn dadurch ein Mensch getötet oder verletzt bzw eine vom Produkt verschiedene körperliche Sache beschädigt wird. Als Produkt gilt demnach jede bewegliche körperliche Sache, auch wenn sie Teil einer anderen beweglichen Sache ist.
Gemäß § 3 PHG ist ein Hersteller, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt erzeugt hat. Ein Roboter kann viele Hersteller haben – so wird bei Schäden aufgrund von Fehlern in der Steuerungssoftware in der Regel neben dem Hersteller des Endprodukts auch der Hersteller des Teilprodukts, also der Steuerungssoftware, zur Verantwortung gezogen werden.[1]
Ein Haftungsausschluss kommt gemäß § 8 Z 2 PHG in Frage, wenn der Hersteller nachweisen kann, dass der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zu dem Zeitpunkt, zu dem er das betreffende Produkt in Verkehr gebracht hat, nicht erkannt werden konnte. Hier wird – wie nach der Verschuldenshaftung des ABGB – ein sehr strenger Maßstab angelegt: Die Rechtsprechung hält dazu fest, dass auf den höchsten Stand der Wissenschaft und Technik abzustellen ist, wie er im Zeitpunkt des Inverkehrbringens des betreffenden Produkts existierte.
Zu beachten ist außerdem, dass der Haftungsumfang nach dem PHG in Hinblick auf Sachschäden stark eingeschränkt ist: So unterliegen unter anderem Schäden an Sachen eines Unternehmers, die überwiegend in seinem Unternehmen verwendet werden und vom Produkt verschieden sind, nicht der Ersatzpflicht.
Das österreichische PHG fußt im Übrigen auf einer europäischen Richtlinie, die erst kürzlich im Zusammenhang mit der „Roboterhaftung“ im Fokus des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission stand:
Im Jahr 2017 forderte das Europäische Parlament die Europäische Kommission angesichts der rasanten Fortschritte und Entwicklungen im Zusammenhang mit künstlicher Intelligenz dazu auf, die sogenannte Produkthaftungsrichtlinie einer Überprüfung und gegebenenfalls Aktualisierung zu unterziehen. In Ihrem darauffolgenden Bericht vom Mai 2018 hielt die Europäische Kommission fest, vorerst keine akute Notwendigkeit zur Anpassung der Produkthaftungsrichtlinie zu sehen. Sie kündigte jedoch gleichzeitig an, bis Mitte 2019 entsprechende Leitlinien für die Richtlinie herauszugeben und die im Zusammenhang mit Robotik und künstlicher Intelligenz stehenden Entwicklungen weiter im Blick zu behalten.
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In Anbetracht der oben genannten Ausführungen ist Roboterherstellern bzw –benutzern zu empfehlen, bereits vor dem Einsatz der Maschine entsprechende vertragliche Vorkehrungen zu treffen (sofern dem zwingende gesetzliche Regelungen nicht entgegenstehen). Die Europäische Kommission plant einstweilen keine neuen Haftungsstandards, sofern es den Einsatz von Robotern betrifft. Es bleibt auch abzuwarten, in welche Richtung die österreichische Rechtsprechung im Zusammenhang mit etwaigen „Roboter-Haftungsfällen“ tendieren wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden – folgen Sie weiterhin unserem Blog oder abonnieren Sie unseren PwC Legal Newsletter.
[1] Davon zu unterscheiden ist die Frage, inwieweit auch Schäden am Roboter selbst, die bspw auf eine fehlerhafte Software eines Herstellers, der nicht zugleich Hersteller des Roboters ist, zurückzuführen sind, vom PHG erfasst werden. Auf den hierzu bestehenden Streitstand („Weiterfresserschaden“) wird an dieser Stelle nicht weiter eingegangen.
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