COVID-19: Verbot der Ausschüttung des (gesamten) Bilanzgewinns?
Die zur Verhinderung der Ausbreitung von COVID-19 angeordneten Maßnahmen zeigen langsam Wirkung, allerdings nicht nur positive: Viele zuletzt noch gewinnbringende Unternehmen erleiden seit Inkrafttreten des sog Betretungsverbots am 16. März Totalausfälle, während in der – demnächst aufzustellenden – Bilanz des letzten Jahres möglicherweise noch ein fetter Gewinn auszuweisen ist. Die Gesellschafter einer GmbH haben in der Regel Anspruch auf Ausschüttung des Bilanzgewinns – oder doch nicht?
Ausschüttungsverbot gemäß § 82 Abs 5 GmbHG
Ob es den Gesellschaftern passt oder nicht: Die aktuell schwerwiegenden Umsatzeinbußen und damit einhergehenden Vermögensverluste können die Ausschüttungsfähigkeit bereits entstandener Gewinne beseitigen: Wenn zwischen dem Bilanzstichtag und der Feststellung des Jahresabschlusses das Gesellschaftsvermögen durch Verluste oder Wertminderungen erheblich und voraussichtlich dauerhaft (nicht nur vorübergehend) geschmälert wurde, darf gemäß § 82 Abs 5 GmbHG der Bilanzgewinn im Ausmaß der eingetretenen Wertminderung nicht ausgeschüttet werden. Zu beachten ist hierbei, dass auf den Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses und nicht des Gewinnverteilungsbeschlusses bzw der Ausschüttung abzustellen ist. Dieses Detail wird in der Praxis jedoch nur bedingt eine Rolle spielen, weil regelmäßig mit der Feststellung des Jahresabschlusses auch die Gewinnverwendung beschlossen wird. Der Jahresabschluss ist in den ersten 8 Monaten des folgenden Geschäftsjahrs, somit idR spätestens am 31. August festzustellen.
Was bzw wer unterliegt der Ausschüttungssperre?
Als Verlust bzw Wertminderung wird nur jene Vermögensminderung angesehen, die sich auch in den Büchern (in der Bilanz) niederschlägt – die Verminderung von stillen Reserven zählt daher nicht dazu.
Der bis zur Feststellung eingetretene Verlust ist mittels Zwischenbilanz zu ermitteln und sodann (als ausschüttungsgesperrter Betrag) rechnerisch vom Bilanzgewinn abzuziehen. Lediglich der verbleibende Rest darf an die Gesellschafter ausgeschüttet werden. Unter den gegebenen Umständen – gepaart mit einer Black Box, was die Zukunftsaussichten betrifft – wird ein sorgfältiger Geschäftsführer aus kaufmännischer Vorsicht wohl von der Dauerhaftigkeit der Verluste ausgehen müssen.
Die Einhaltung des Ausschüttungsverbots obliegt den Geschäftsführern sowie ggf dem Aufsichtsrat. Laut OGH liegt es in der Verantwortung der Geschäftsführer (und eines allenfalls bestehenden Aufsichtsrats), bei der Beschlussfassung über den Jahresabschluss im Rahmen der ordentlichen Generalversammlung auf zwischenzeitig eingetretene Verluste aufmerksam zu machen. Dies wird praktisch jedoch zumeist nicht möglich sein, weil die Beschlussfassung über Jahresabschluss und Gewinnverwendung im Regelfall schriftlich (im Umlaufweg) erfolgt.
Konsequenzen bei Missachtung
Sollten also die Gesellschafter trotz Verlustsituation eine (unzulässige) Gewinnausschüttung beschließen, haben die Geschäftsführer die Ausschüttung zu verweigern. Vollziehen sie hingegen den Ausschüttungsbeschluss, werden die Mitglieder der Geschäftsführung (sowie ggf des Aufsichtsrats) der Gesellschaft gegenüber schadenersatzpflichtig. Daran ändert auch die Weisungsgebundenheit der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern nichts: Rechtswidrige Weisungen sind nämlich grundsätzlich nicht verbindlich; im Gegenteil, die Geschäftsführer dürfen sie gar nicht befolgen. Zudem befreit ein (selbst rechtmäßiger) Weisungsbeschluss einen Geschäftsführer gemäß § 25 Abs 5 GmbHG insoweit nicht von seiner Haftung bzw Schadenersatzpflicht, als der Ersatz für die Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.
Was bedeutet das für die Praxis?
In der gegenwärtigen Situation sind Geschäftsführer gut beraten, die von den Gesellschaftern beschlossene Gewinnverwendung zu überprüfen, um (in der Zukunft) nicht mit Ersatzansprüchen konfrontiert zu werden. Eine solche Vorgehensweise könnte freilich in der Praxis dazu führen, dass die Geschäftsführer den Unmut der Gesellschafter aufsichziehen und im schlimmsten Fall abberufen werden – dies wäre gesellschaftsrechtlich durchaus zulässig. Das Dilemma des Geschäftsführers zwischen Pflicht und Gunst ist hinlänglich bekannt. Zum Trost sei angemerkt, dass im Falle einer Abberufung des Geschäftsführers sein Dienstverhältnis nicht automatisch endet.
Wenn daher der Bilanzgewinn des Vorjahres (noch) rechtmäßig ausgeschüttet werden soll, so könnte durch eine rasche Aufstellung und Feststellung des Jahresabschluss der eingetretene Verlust und somit ausschüttungsgesperrte Betrag – im Wege der Beschränkung des zu berücksichtigenden Zeitraums – minimiert werden.
Aus wirtschaftlicher Sicht zu raten ist aber vielmehr, den Bilanzgewinn vorerst im Unternehmen zu belassen. Sollte sich bis zur Aufstellung des nächsten Jahresabschlusses die wirtschaftliche Lage wieder einigermaßen erholt haben, dann wären die Verluste wohl nicht mehr (zumindest nicht in derselben Höhe) als dauerhaft anzusehen und die Ausschüttung des Bilanzgewinns 2019 könnte nachgeholt werden.
Sofern Sie Fragen zum Ausschüttungsverbot, der Haftung der Geschäftsführer oder möglichen Handlungsoptionen haben, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Autor:innen: MMag. Verena Heffermann; Mag. Daniela Steiner; István Koosz LL.M.