Fusionskontrolle, InvKG und (bald auch) FSR – dieses Trio ist bei M&A Transaktionen zu beachten
Die Verordnung der Europäischen Union über Subventionen aus Drittstaaten (Foreign Subsidies Regulation; FSR) trat am 12.01.2023 in Kraft und schafft eine neue Regelung zur Bekämpfung von Wettbewerbsverzerrungen, die durch ausländische (= drittstaatliche) Subventionen im EU-Binnenmarkt verursacht werden. Künftig gibt es eine (bzw durch die FSR eine weitere) Melde- und Genehmigungspflicht für den Erwerb bedeutender EU-Unternehmen und für große öffentliche Ausschreibungen in der EU. Weiters hat die Europäische Kommission (EK) weitreichende Befugnisse zur Einleitung von Untersuchungen von Amts wegen. Die erwähnte Meldepflicht tritt am 12.10.2023 in Kraft.
Allgemeines
Die Intention des europäischen Gesetzgebers mit der FSR ist deutlich erkennbar. Finanzielle Zuwendungen von Drittstaaten an EU-Unternehmen sollen – wie es auch bei Subventionen innerhalb der EU der Fall ist – einer strengen Prüfung unterliegen und wird somit eine Regelungslücke geschlossen.
Was gilt als finanzielle Zuwendung iSd FSR?
Darunter fällt jede Form von direkten oder indirekten Zuwendungen von Nicht-EU-Regierungen oder öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die einem Drittstaat zuzurechnen sind an ein EU-Unternehmen. Die finanzielle Zuwendung muss dem EU-Unternehmen einen Vorteil bringen – zB ein Kredit eines Drittstaats zu einem Zinssatz unter dem Marktstandard. Das Vorliegen eines solchen Vorteils kann unter der Heranziehung von Vergleichsmaßstäben geprüft werden, zB zu welchen Konditionen eine Bank den Kredit vergeben hätte. Die finanzielle Zuwendung muss weiters wettbewerbsverzerrend sein. Eine solche Verzerrung liegt vor, wenn eine ausländische Subvention geeignet ist, die Wettbewerbsposition eines Unternehmens im Binnenmarkt zu verbessern und dadurch den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt tatsächlich oder potenziell zu beeinträchtigen. Bei einigen Subventionsarten wird eine Wettbewerbsverzerrung vermutet (zB bei Subventionen, die einem notleidenden Unternehmen ohne einem tragfähigen Umstrukturierungsplan gewährt werden) – hier müssen Unternehmen in ihren Meldungen detailiertere Angaben machen. Klarerweise kann dies mitunter ein sehr komplexes Unterfangen sein.
„Finanzielle Zuwendungen“ iSd FSR ist demnach ein äußerst weit zu verstehendes Begriffspaar. Zum Beispiel können direkte Zuschüsse, zinslose oder zinsgünstige Darlehen, Steueranreize (zB Steuerbefreiungen/-erleichterungen), staatlich finanzierte F&E oder die Gewährung von Exklusivrechten ohne angemessene Vergütung darunterfallen.
Unternehmen, die in der EU tätig sind (bzw planen, in der EU zu investieren oder an öffentlichen Ausschreibungen in der EU teilzunehmen) und die „finanzielle Zuwendungen“ aus Drittstaaten erhalten haben, ist demnach dringend geraten, sich schnell auf die Anwendung der FSR vorzubereiten. Dazu gehört die Implementierung von Prozessen um den Anforderungen u.a. an die Informationserfassung und -verarbeitung sowie die Berichterstattung gerecht zu werden. Insbesondere in Hinblick auf die Dreijahresfrist (siehe unten) ist Unternehmen zu empfehlen, sich unmittelbar mit dem Thema auseinander zu setzen, unabhängig davon, ob in absehbarer Zukunft eine M&A Transaktion ansteht.
Vorabgenehmigung durch EK bei M&A-Transaktionen
Ab dem 12.10.2023 müssen Unternehmen, die (a) M&A Transaktionen oder (b) ein öffentliches Vergabeverfahren in der EU (wobei hier nur auf (a) eingegangen werden soll) durchführen möchten, die Transaktion/das Verfahren genehmigen lassen, sofern die Schwellenwerte der FSR erreicht bzw überschritten werden.
Transaktionen, die die folgenden (kumulativen) Schwellenwerte erreichen bzw überschreiten, müssen bei der EK angemeldet werden:
- Umsatzschwelle: Der Umsatz des Zielunternehmens (bei Übernahmen), des Gemeinschaftsunternehmens (bei Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens) oder einer der Parteien (bei Fusionen) in der EU betrug im letzten Geschäftsjahr mindestens EUR 500 Mio.; und
- Schwellenwert für die finanzielle Zuwendung: Die beteiligten Unternehmen (zB der Erwerber und das Zielunternehmen, die fusionierenden Unternehmen oder das Gemeinschaftsunternehmen und seine Muttergesellschaften) haben in den drei Jahren vor der Anmeldung von Regierungen oder staatlichen Einrichtungen außerhalb der EU „finanzielle Zuwendungen“ von mehr als EUR 50 Mio. erhalten.
Eine finanzielle Zuwendung muss nur dann ausgewiesen werden, wenn der Einzelbetrag des spezifischen Beitrags mindestens EUR 200.000 und der Gesamtbetrag aller Beiträge pro Drittland und Jahr mindestens EUR 4 Millionen beträgt (de-minimis Schwellen).
Das Meldeverfahren nach der FSR (sowie dessen Zeitplan) ähnelt dem Verfahren der Fusionskontrollverordnung. Unternehmen müssen im Zuge von M&A Prozessen neben der Fusionskontrolle (KartG bzw FKVO) und der Prüfung ausländischer Direktinvestitionen (InvKG) auch die Einhaltung der FSR berücksichtigen. Nach eingehender Prüfung kann die EK eine Transaktion (auch unter Auflagen wie bspw Veräußerung von Vermögenswerten, Verringerung der Marktpräsenz, Rückzahlung ausländischer finanzieller Zuwendungen mit Zinsen) freigeben oder untersagen.
Im Zuge einer M&A Transaktion ist dies unbedingt in einem sehr frühen Stadium (auch bei der Vertragsgestaltung, zB durch Aufnahme einer entsprechenden aufschiebenden Bedingung) zu berücksichtigen. Ebenso ist dringend anzuraten, entsprechende Gewährleistungen oder Freistellungen in die Transaktionsdokumentation mitaufzunehmen.
Möglichkeit der EK zu ad-hoc Untersuchungen von Amts wegen
Die FSR enthält darüber hinaus auch ein catch all Marktuntersuchungsinstrument der EK – diese kann von Amts wegen Verfahren einleiten, um zB M&A Deals nachträglich zu überprüfen, wenn sie eine wettbewerbsverzerrende Wirkung aufgrund einer ausländischen Subvention vermutet (und zwar auch nachträglich bei abgeschlossenen Transaktionen). Dies gilt unabhängig davon, ob die oben genannten Schwellen erreicht bzw überschritten werden oder nicht.
Mögliche Strafen
Wenn Unternehmen gegen die Stillhalteverpflichtung verstoßen, indem sie einen nach der FSR anmeldepflichtigen Zusammenschluss vollziehen oder nicht anmelden (gun jumping), kann die EK eine Geldbuße von bis zu 10 % ihres Gesamtumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr verhängen. Die EK ist auch befugt, gegen Unternehmen, die unrichtige, unvollständige oder irreführende Angaben in der Anmeldung machen, Geldbußen in Höhe von bis zu 1 % des Gesamtumsatzes und Zwangsstrafen in Höhe von bis zu 5 % des durchschnittlichen täglichen Gesamtumsatzes für jeden Tag des Verzugs zu verhängen.
Abschließende Gedanken
- Im Zuge von M&A Transaktionen ist künftig neben dem Erfordernis einer kartellrechtlichen Zusammenschlussanmeldung und dem (relativ neuen) Instrument der Investitionskontrolle auch eine Genehmigungspflicht nach der FSR zu prüfen.
- Die Erfordernisse der FSR sind demnach auch im Rahmen von Due-Diligence Prüfungen, sowie bei der Erstellung der Transaktionsdokumentation (zB durch Aufnahme entsprechender conditions precedent oder representations) frühzeitig zu berücksichtigen.
- Da die Ermittlung und Quantifizierung finanzieller Zuwendungen aus Drittstaaten über einen Dreijahreszeitraum mitunter zeitaufwändig sein können, ist zu empfehlen, dass Unternehmen so bald wie möglich mit der Implementierung zur Informationserfassung zu beginnen.