Green Leases im Kontext der Taxonomie-VO (EU) 2020/852
Autorinnen: Dr. Manuela Maurer-Kollenz; Mag. Anna Schimmer
Europäische Regulatorien und die Energie- und Wirtschaftskrise fungieren als Treiber zu einer „grünen“ Vertragsgestaltung, die nachhaltige Zielsetzungen wie insbesondere im Umgang mit Immobilien verfolgen.
Vor diesem Hintergrund steigt die Nachfrage und Bedeutung an Green Leases, die den Rechtsrahmen für eine nachhaltige und damit auch potenziell sparsame Nutzung und Bewirtschaftung von Mietgegenständen bilden sollen. Ebenso können Green Leases, die für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung von (institutionellen) Vermietern und Mietern bedeutende Rechtsgrundlage zum Datenaustausch von Verbrauchsdaten schaffen und hinsichtlich der Nutzung, Bewirtschaftung und der Instandsetzung von Mietgegenständen bestehende oder angestrebte Gebäudezertifizierungen, absichern.
Durch Green Leases können sowohl für Vermieter als auch Mieter
● Daten und Nachweise für ein ESG-Reporting erlangen, und
● damit Messwerte zur besseren Steuerung des Energieverbrauches lukrieren und somit ihren Corporate Carbon Footprint bestenfalls nachweislich verbessern.
Green Leases sind demnach nicht nur für Immobilienmarktteilnehmer, für die Anwendung der Taxonomie-VO obligatorisch ist oder sein wird, von großer Bedeutung, sondern auch voraussichtlich künftig für Finanzinstitute, die Immobilien finanzieren und dadurch Wertsteigerungen der Immobilie erwarten.
Taxonomie-VO
Für die Umsetzung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien hat die Europäische Kommission unter anderem die für die Immobilienwirtschaft zentrale Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2020 über die Schaffung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (die „Taxonomie-VO“) erlassen. Ergänzt wird die Taxonomie-VO durch die Delegierten Verordnungen, welche die technischen Bewertungskriterien je nach Wirtschaftstätigkeit konkretisieren. Außerdem veröffentlichte die EU-Kommission bis dato zwei FAQs im Entwurf (Dezember 2021 und Februar 2022), die unverbindlich sind, jedoch bei der Anwendung der Taxonomie-VO unterstützen sollen.
Mit der Taxonomie-VO, die am 12. Juli 2020 in Kraft getreten ist, soll ein einheitliches Klassifikationssystem für die Beurteilung nachhaltiger Wirtschaftstätigkeiten geschaffen werden. Auch werden Unternehmen zukünftig dazu verpflichtet, ihren ökologisch nachhaltigen Anteil an Umsatz- und Investitionsaufwendungen offenzulegen.
Als zentrale Regelung der Taxonomie-VO enthält Art 3 ein Schema für die Beurteilung von Wirtschaftstätigkeiten als „ökologisch nachhaltig“. Damit eine Wirtschaftstätigkeit als taxonomiekonform einzustufen ist und somit auch als „ökologisch nachhaltig“, müssen die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:
● Die Wirtschaftstätigkeit leistet einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung von mindestens einem der sechs Umweltziele,
● führt zu keiner bestimmten erheblichen Beeinträchtigung einer Umweltziels („Do no significant harm“),
● wird unter Einhaltung der sozialen Mindeststandards ausgeübt und
● entspricht spezifischer technischer Bewertungskriterien, die die Kommission festlegt.
Neben den Wirtschaftstätigkeiten wie Renovierung bestehender Gebäude, Installation, Wartung und Reparatur von energieeffizienten Geräten, Elektro-Ladestationen in Gebäuden, Gesamtenergieeffizienz-Messgeräte von Gebäuden u.a. wird nach diesem Bewertungsschema auch der Erwerb von und Eigentum an Gebäuden als eigene Wirtschaftstätigkeit als taxonomiekonform beurteilt. Somit kann nicht nur der Neubau von Gebäuden auf die Taxonomiekonformität geprüft werden, sondern auch das bloße „Halten“ von Immobilien als eigene taxonomiefähige Wirtschaftstätigkeit.
Regelungsinhalte von Green Leases
Obwohl es keine regulative Definition des Begriffs „Green Lease“ gibt, haben sich – durch verschiedene Interessensvertretungen, wie insbesondere der deutsche ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V. geprägte – Regelungsinhalte zu verschiedenen relevanten Aspekten in Green Leases herauskristallisiert. Der Inhalt eines Green Leases muss jedoch an jede konkrete Immobilie und Nutzungsart unter Berücksichtigung der Interessen der Vertragsparteien individuell gestaltet werden. Typische Regelungsinhalte sind beispielsweise:
● Förderung erneuerbarer Energiequellen: Regelung hinsichtlich der Versorgung des Mietgegenstandes mit ökologisch nachhaltiger Energie, insbesondere Strom, Heizung und Kühlung. Zentral hierbei ist die Regelung über die Kostentragung etwa im Falle einer Nachrüstung, weil die Kosten für solche Konzepte und für die Versorgung des Gebäudes mit ökologisch nachhaltiger Energie höher sein könnten als bei nicht nachhaltiger Energieversorgung.
● Datenaustausch und Energiemonitoring: Verpflichtung zum Austausch von Daten und Informationen, insbesondere über die Energie- und Wasserversorgung, die Abfallentsorgung oder die Ermittlung der Kohlendioxid-Bilanz der gemieteten Räumlichkeiten. Green Leases können auch die Verpflichtung zur Umsetzung von Messkonzepte dieser Verbrauchsdaten vorsehen.
● Umweltfreundliche Reinigung / Einsparung des Wasserverbrauches: Bei der Art der Reinigung und der Auswahl der Reinigungsmittel können strenge Vorgaben für den Wasserverbrauch und die Umweltverträglichkeit normiert werden.
● Förderung der Kreislaufwirtschaft: Verpflichtung bestimmte Abfallarten getrennt zu sammeln sowie bestimmte recycelbare Produkte zu verwenden.
● Mobilität: Nachhaltig orientierte infrastrukturelle Einbindung des Mietgegenstandes, etwa durch Schaffung von Anreizen zur Fahrradnutzung, Herstellung von KFZ E-Ladestationen zur Förderung von Elektroautos, u.ä.
● Nutzerhandbuch: Empfehlungen durch Nutzerhandbücher, die die energie- und ressourcensparende Nutzung des Mietgegenstandes aufzeigen.
● Erhaltung und Veränderungen des Mietgegenstands: Umsetzung eines nachhaltigen Qualitätsstandards für etwa auszuführende Erhaltungsarbeiten und Veränderungen des Mietgegenstandes. So kann die erhaltungspflichtige Partei dazu verpflichtet werden, nur Materialien aus Listen ökologischer Baustoffe oder mit gewissen Zertifizierungen einzusetzen und die technischen Standards der Delegierten Verordnung zur Taxonomie-VO einzuhalten.
„shades of green“
Green Leases können – soweit konsensfähig – Verpflichtungen oder bloße Bemühenszusagen vorsehen. Auch besteht bei der Vertragsgestaltung eine weite Spanne der Konsequenzen bei Nichteinhaltung von vertraglichen Verpflichtungen, die von positiven immateriellen oder materiellen Anreizen bis zum Anspruch auf Vertragszuhaltung, Pönalen oder Aufkündigungsrechte im Fall eines Vertragsverstoßes reichen. Folglich ist die Spanne eines Green Leases von “dunkelgrün” zu “hellgrün” sehr weit und vielseitig.
Das österreichische Mietrecht schränkt die Möglichkeiten zur Durchsetzung von harten Verpflichtungen gegenüber Mietern jedoch stark ein. Bei der Ausgestaltung von Verpflichtungen, ist die Durchsetzbarkeit vor dem Hintergrund der Sittenwidrigkeit und zwingenden Bestimmungen des MRG daher rechtlich zu beurteilen. Auch im gewerblichen Mietrecht kann die Möglichkeit, Mieter etwa zur Vornahme von Erhaltungsarbeiten und damit auch zur Kostentragung zu verpflichten, stark eingeschränkt sein.
Sind Ihre Mietverträge nachhaltig?
Da Green Leases bereits jetzt eine immer wichtigere Rolle spielen, steigt der Bedarf der Eigentümer von Gebäuden und ihrer Mieter Mietverträge hinsichtlich „nachhaltigen Klauseln“, vor dem Hintergrund der Taxonomie-VO zu überprüfen und solche Klauseln in ihre Mietverträge aufzunehmen. Unsere Expert:innen unterstützen Sie dabei Ihre Mietverträge „grün“ zu gestalten.