Kartellrecht – Organhaftung für über das Unternehmen verhängte Geldbußen?
Autor: Dr. Konstantin Köck, LL.M. MBA LL.M.
Ausgangsfall
Im sogenannten Sanitärkartell hatte die Europäische Kommission im Jahr 2010 gegen 17 Hersteller von Badezimmerausstattungen, ua gegen Villeroy & Boch, wegen eines Preiskartells in sechs EU-Ländern Geldbußen von insgesamt EUR 622 Mio verhängt.
Der Badausstatter Villeroy & Boch hatte daraufhin versucht, vier ehemalige Vorstände für die über das Unternehmen verhängte Geldbuße in Regress zu nehmen. Das damit befasste LG Saarbrücken (Deutschland) hat in seiner nunmehr ergangenen Entscheidung die Haftung von Leitungsorganen für Geldbußen des Unternehmens abgelehnt und die dazu erhobenen Klagen abgewiesen (7 HK O 6/16 und 7 HK O 21/19).
Das Thema Haftung von Leitungsorganen für Geldbußen war bisher kaum Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen in Österreich oder Deutschland, trotz großer Relevanz für die Praxis. Aktuell sind allerdings mehrere Verfahren anhängig, sodass in absehbarer Zeit mit weiteren Entscheidungen zu rechnen sein wird.
Rechtslage in Österreich
Kartellrechtliche Geldbußen richten sich in Österreich direkt an das Unternehmen, von einer Bestrafung des Leitungsorgans hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen (vgl dazu auch das Regressverbot nach § 11 Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG).
Aus dem Regressverbot nach § 11 VbVG wird in der Lehre die generelle Wertung abgeleitet, dass gegen ein Unternehmen verhängte Geldbußen weder auf dem Regressweg noch durch vertragliche Vereinbarung auf Dritte (dh auch nicht auf Leitungsorgane des Unternehmens) überwälzt werden können. Aufgrund des höchstpersönlichen Charakters einer Unternehmensgeldbuße solle sowohl der Rückgriff auf die handelnden Organe als auch die Überwälzung auf eine Versicherung (D&O) ausscheiden.
Führt man sich allerdings Sinn und Zweck von Geldbußen vor Augen, kann man genauso zum gegenteiligen Ergebnis gelangen. Einerseits sollen Geldbußen auf sämtliche Unternehmen einen abschreckenden Effekt haben (Generalprävention), andererseits sollen einzelne Unternehmen konkret davon abgehalten werden (wiederholt) gegen Wettbewerbsvorschriften zu verstoßen (Spezialprävention). Dieser Spezialprävention kommt gerade in der Praxis der Europäischen Kommission wesentliche Bedeutung zu (vgl dazu die Leitlinien Geldbußen (2006) Rz 4 und 20).
Wenn somit die für das Unternehmen handelnde Organe befürchten müssen, im Regressweg selbst für Kartellrechtsverstöße belangt zu werden, würde dies die Präventionswirkung der Sanktion ohne Zweifel stärken. Es würde daher geradezu Sinn und Zweck einer Geldbuße entsprechen, würde sie für das Unternehmen einen ersatzfähigen Schaden darstellen.
Ausblick
Die Eingangs gestellte Frage, ob Leitungsorgane für über das Unternehmen verhängte Geldbußen haften, lässt sich somit (noch) nicht abschließend beantworten. Höchstgerichtliche Entscheidungen fehlen bisher. Geklärt ist hingegen bereits, dass Kosten, die dem Unternehmen im Zusammenhang mit der Abwehr einer Geldbuße entstehen (zB Rechtsanwaltskosten), sehr wohl von Dritten, dh auch von Leitungsorganen, zurückgefordert werden können. Aus diesem Blickwinkel macht der Abschluss einer D&O-Versicherung jedenfalls Sinn, werden doch solche Kosten in der Regel von der Versicherung gedeckt sein.