M&A in der Krise (Teil 1) – neue Chancen, alte Risiken?
Autor:innen: Dr. MMag. Miriam Nehajova; Dr. Krzysztof Nowak
Die globale COVID-19 Pandemie führte dazu, dass viele geplante M&A Transaktionen vorerst auf Eis gelegt wurden. In Anbetracht der herrschenden Unsicherheit hatte die Sicherung der Liquidität und der operativen Tätigkeit die oberste Priorität.
Mit der Lockerung der restriktiven Maßnahmen ist auch die Planungssicherheit, zumindest teilweise, zurückgekehrt. Viele Investoren und M&A Abteilungen sehen die derzeitige Situation als Chance, die (oft etwas günstiger bewerteten) Unternehmen für ihre Portfolios aufzukaufen und ihre Markt- und Wettbewerbsposition zu stärken. Die fortschreitenden Marktkonsolidierung ist ein mögliches Ergebnis.
Aufgrund der geänderten Umstände ist bei den zwischenzeitig gestoppten Transaktionen strategisch zu überlegen, ob diese in Anbetracht der globalen Situation weiterverfolgt werden sollen. Die Unterbrechung von Lieferketten, Reise- und Warenbeförderungseinschränkungen sowie die damit verbundenen Umsatzeinbußen können zur Anpassung von hohen Bewertungen führen und die Nachverhandlung von angedachten Kaufpreisen erleichtern.
Einfluss auf die Unternehmenskaufdokumentation
Die Änderungen der wirtschaftlichen Gegebenheiten beeinflussen den M&A Markt und spiegeln sich auch in der rechtlichen Dokumentation von Unternehmenskäufen wider. So können die Auswirkungen der Covid-19 Krise insbesondere bei der Kaufpreisregelung und bei Garantie- und Gewährleistungskatalogen in der Unternehmenskaufdokumentation eine Rolle spielen.
Den sich schnell verändernden Umständen kann ein Fixpreis für ein Unternehmen nur schwer gerecht werden. Erfolgsabhängige Kaufpreisteile können der starken Volatilität eher Rechnung tragen. Ein gutes Instrument dafür stellt ein Earn-Out dar. Im Fall von Earn-Out erhält der Verkäufer zusätzlich zu einem Basispreis zu einem späteren Zeitpunkt auch einen weiteren Preis, sollten die in der Dokumentation vereinbarten Bedingungen (beispielsweise ein bestimmter Umsatz oder Gewinn in den nächsten Geschäftsjahren) erfüllt werden. Wichtig ist, dass die Zahlung eines Earn-Out nicht nach freiem Ermessen des Käufers erfolgen soll, denn diesfalls könnte die Regelung ausgehöhlt werden. Eine gut zugeschnittene Regelung kann gewährleisten, dass der Kaufpreis entsprechend den (guten) Entwicklungen im Unternehmen zumindest teilweise angepasst wird. Wegen seiner motivierenden Funktion kann ein Earn-Out auch besonders effizient eingesetzt werden, wenn die Verkäufer bzw. die hinter der Verkäufergesellschaft stehenden Personen auch Geschäftsführer (Vorstände) des Unternehmens sind und nach der Transaktion zumindest für eine Zeit lang im zu erwerbenden Unternehmen weiter tätig bleiben.
Weiters werden Anpassungen bei den Garantie- und Gewährleistungskatalogen bzw. Freistellungen (Indemnities) erwartet. Konnte in den letzten Jahren der M&A Markt in Österreich als relativ verkäuferfreundlich bezeichnet werden (es gab viele Kaufinteressenten und ein Verkäufer konnte oft gute Verkaufsbedingungen verhandeln), so scheint sich der Markt derzeit zugunsten der Käuferseite zu verschieben. Verkäufer sind nun oft mit einem einzigen potentiellen Erwerber konfrontiert, der viele erwerberfreundliche Regelungen durchsetzen wird können; will sich der Verkäufer von seinem Unternehmen trennen, so wird er sich auf die käuferfreundlicheren Regelungen weitgehend einlassen müssen. Dies trifft natürlich nicht auf jedes Unternehmen zu. Die Garantie- und Gewährleistungskataloge werden vor allem auch auf die COVID-19 relevanten Umstände angepasst und präzisiert werden. Beispielsweise können Zusicherungen hinsichtlich der Umsätze der letzten Monate oder der konstanten Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen seitens der wichtigsten Lieferanten oder Abnehmer abgegeben werden. Andererseits sprechen auch berechtigte Interessen der Verkäufer dafür, ihre Haftung in Zusammenhang mit der Transaktion zu begrenzen. Der klar definierten Abgrenzung der Haftung wird somit besonderes Gewicht zuzumessen sein, auch Haftungsbegrenzungen müssen gut überlegt und eingesetzt werden. Die Übernahme von Haftungen für die Zukunft muss kritisch beäugt werden, schließlich hat der Käufer ab dem Closing der Transaktion das wirtschaftliche Risiko zu tragen.
Der rapide Ausbruch von COVID-19 hat auch gezeigt, welche Wichtigkeit den gut formulierten MAC (Material Adverse Change) Klauseln zukommen kann. Bei den MAC Klauseln wird dem Erwerber meistens das Recht gewährt, von der Transaktion unter bestimmten Bedingungen (bei „erheblich negativen Veränderungen“) zurückzutreten. Die Klauseln werden insbesondere für die Zeit zwischen dem Abschluss des Kaufvertrages (Signing) und der Wirksamkeit der Unternehmensübertragung (Closing) eingesetzt. Je nach Ausgestaltung kann es sich bei den relevanten negativen Veränderungen beispielsweise um einen Umsatzsturz, eine Wirtschaftskrise oder Folgen von Naturkatastrophen (ähnlich einer Force Majeure Klausel) handeln. Diese sollen so weit wie möglich klar definiert werden. Die Material Adverse Change Klauseln werden voraussichtlich noch verstärkt eingesetzt, um bei besonders negativen Entwicklungen beim Unternehmen oder seiner Umgebung von einer Transaktion doch noch Abstand nehmen zu können.
Die Marktsituation verändert sich schnell, auch die Best Practices in M&A Transaktionen sind nicht in Stein gemeißelt. Die Bedeutung einer kompetenten und umfassenden Beratung ist für die gute Strukturierung, Vorbereitung und Durchführung von M&A Transaktionen nicht zu unterschätzen.
Distressed M&A-Transaktionen on the Rise?
In Anbetracht der angespannten finanziellen Situation vieler Unternehmen kann ein Anstieg bei distressed M&A-Transaktionen erwartet werden. Die Strukturierung solcher Transaktionen ist besonders wichtig. Als mögliche Gestaltungen bieten sich dabei insbesondere folgende an:
- ein Asset Deal vor der Insolvenz oder eine übertragende Sanierung in der Insolvenz,
- ein Share Deal oder eine Kapitalerhöhung, wobei die neuen Anteile durch einen neuen Investor übernommen werden,
- debt-to-equity Swap.
Die jeweiligen Gestaltungsvarianten werden wir in den nächsten Teilen unserer „M&A in der Krise“ Blogserie für Sie erläutern.
Was wir anbieten
Unser M&A Team unterstützt Sie gerne bei Ihrer nächsten M&A Transaktion. Wir verfügen über langjährige Expertise in der Beratung von Industrieunternehmen, Private Equity und Venture Capital Fonds, bei buy-side und sell-side M&A Transaktionen, komplexen Restrukturierungen sowie bei gesellschaftsrechtlichen Themenstellungen. Wir beraten bei distressed M&A-Transaktionen (Unternehmenskäufen aus der Insolvenz beziehungsweise von insolvenznahen Unternehmen) sowie bei Joint Ventures Transaktionen.
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