OGH folgt der Rechtsprechung des EuGH zur Urlaubsverjährung
Update zu unserem Blogbeitrag “Arbeitsrechtliche Praxistipps zum Urlaubsrecht” vom 26. Juni 2023
Bereits in unserem letzten Blogbeitrag zum Urlaubsrecht haben wir darauf hingewiesen, dass aufgrund neuer unionsrechtlicher Rechtsprechung auch in Österreich Änderungen in Bezug auf die Verjährung des gesetzlichen Urlaubsanspruches zu erwarten sind. Nunmehr liegt zu diesem Thema ein neues Judikat des Obersten Gerichtshofes (OGH 8 Ob A 23/23z) vor, welches wir Ihnen in diesem Beitrag präsentieren möchten.
Entsprechend der zuvor erwähnten Rechtsprechung des EuGH (C-120/21) hat nunmehr auch der OGH entschieden, dass der gesetzliche Urlaubsanspruch nicht verjähren kann, wenn Arbeitgeber:innen ihren Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten hinsichtlich der drohenden Urlaubsverjährung nicht nachkommen und somit nicht aktiv für den Verbrauch des Urlaubs durch Arbeitnehmer:innen sorgen.
Das Urteil bezieht sich konkret auf den Fall eines von 2003 bis 2020 als Wildhüter und Gutsverwalter beschäftigten Angestellten, der im Zuge der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses eine Urlaubsersatzleistung für 322,75 offene Urlaubstage mit dem Vorbringen geltend machte, dass er weder dazu aufgefordert worden sei, seinen Urlaub zu verbrauchen, noch auf die drohende Verjährung hingewiesen worden sei.
Der OGH hält in seinem Urteil zunächst fest, dass der Urlaubsanspruch nach österreichischem Recht zwar grundsätzlich nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des Urlaubsjahres, in dem er entstanden ist, verjährt und für den tatsächlichen Verbrauch des Naturalurlaubs damit insgesamt drei Jahre zur Verfügung stehen. Er folgt jedoch in seiner aktuellen Entscheidung der neuen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Urlaubsverjährung, wonach Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen rechtzeitig auf die drohende Urlaubsverjährung hinweisen und zum Verbrauch des offenen Urlaubsanspruches auffordern müssen. Arbeitgeber:innen haben somit ihre Arbeitnehmer:innen ausdrücklich zu warnen, dass ihr Urlaubsanspruch andernfalls am Ende des gesetzlich zulässigen Übertragungszeitraumes verjähren wird.
Wenn Arbeitgeber:innen diesen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachkommen, kann auch laut OGH der nicht verbrauchte Urlaubsanspruch trotz Verstreichen der gesetzlichen Verjährungsfrist weiterhin geltend gemacht werden. Die bloße Tatsache, dass Arbeitnehmer:innen Urlaub gewährt worden wäre, wenn sie ihn rechtzeitig beansprucht hätten, führt laut OGH somit noch nicht zur Verjährung des nicht verbrauchten Urlaubsanspruchs.
Wesentlich ist, dass sich diese unionsrechtlichen Grundsätze nach Ansicht des Berufungsgerichts nur auf den durch die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG festgeschriebenen Mindestanspruch von vier Wochen Urlaub beziehen und daher auf die fünfte oder sechste Urlaubswoche nach österreichischem Recht grundsätzlich nicht anzuwenden sind. Der OGH hat zur Frage einer potenziellen Auswirkung auch auf den über das Unionsrecht hinausgehenden nationalen Urlaubsanspruch bislang keine explizite Aussage getroffen, da sich diese Frage im Revisionsverfahren nicht mehr gestellt hat.
Das Urteil verdeutlicht jedenfalls, wie wichtig die rechtzeitige Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit von Arbeitgeber:innen gegenüber ihren Arbeitnehmer:innen in Hinblick auf ihre Urlaubsansprüche ist und zeigt, dass Arbeitgeber:innen und Personalabteilungen nun verstärkt in die Verantwortung genommen werden, den Urlaubskonsum ihrer Arbeitnehmer:innen zu überwachen. Es ist daher zu erwarten, dass sich dieses Urteil in der Praxis erheblich auf die Urlaubsverwaltung in Unternehmen auswirken wird.
Gerne unterstützen wir Sie bei sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragestellungen in Zusammenhang mit dem Urlaubsrecht.
