Arbeitsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit der Rückkehr auf den Arbeitsplatz sowie mit Home-Office (Update)
Das ist eine aktualisierte Version des Beitrags vom 29.5.2020.
Durch die COVID-19-Lockerungsverordnung und den bereits erfolgten Änderungen erfolgte eine langsame Rückkehr zur „Normalität“: Nach dem Ende der Ausgangsbeschränkungen mit 30. April 2020 und der Wiedereröffnung der Lokale und Gasthäusern mit 15. Mai 2020 besteht nunmehr seit 15. Juni 2020 grundsätzlich auch keine Maskenpflicht mehr (nur noch in Ausnahmefällen, wie z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln und im Gesundheitsbereich sowie bei Dienstleistungen, bei denen der Mindestabstand von einem Meter nicht eingehalten werden kann). Aufgrund der derzeit wieder steigenden Zahl an Neuinfektionen hat die Bundesregierung jedoch bei einer Pressekonferenz am 21. Juli 2020 eine Ausweitung der Maskenpflicht angekündigt: Demnach soll der Mund-Nasen-Schutz im Lebensmitteleinzelhandel, in Supermärkten sowie Bank- und Post-Filialen wieder ab Freitag, den 24. Juli 2020 verpflichtend getragen werden.
Diese Schritte zurück in die Normalität führen einerseits dazu, dass Unternehmen ihre Betriebsstätten wieder für ihre Mitarbeiter öffnen und einige Arbeitnehmer wieder an ihren Arbeitsplätzen außer Haus Arbeiten erbringen können. Die Rückkehr an den ursprünglichen Arbeitsplatz ist für Arbeitgeber jedoch nicht immer einfach. Für Arbeitgeber stellt sich unter anderem die Frage, wie sie jetzt in Bezug auf ihre Fürsorgepflicht vorgehen sollen und welche Schutzmaßnahmen einzuführen sind.
Andererseits verbleiben manche Arbeitgeber bei der nun bereits gewohnten Arbeit im Home-Office und stellen ihren Arbeitnehmern frei, die Arbeitsplätze im Büro aufzusuchen. Manche Arbeitgeber haben in dieser Krisenzeit bemerkt, dass Home-Office in ihrem Unternehmen recht gut umsetzbar ist und wollen auch in Zukunft die Arbeit im Home-Office verstärken. Hier stellen sich weiterhin arbeitsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Home-Office Arbeit.
I. Rückkehr an den Arbeitsplatz
Die Rückkehr der Arbeitnehmer an ihre Arbeitsplätze kann sich für die Arbeitgeber durchaus schwierig gestalten, da eine Reihe von Bestimmungen im Zusammenhang mit COVID-19 eingehalten werden müssen. Eine Vielzahl dieser Bestimmungen behandelt den Umgang und den Schutz der Kunden, etwa im Kundenbereich von Betriebsstätten und von Betriebsstätten im Gastgewerbe. Die COVID-19-Lockerungsverordnung enthält jedoch auch Regelungen in Bezug auf den Ort der beruflichen Tätigkeit, die von den Arbeitgebern zu beachten sind. Weiters ergeben sich aus der Fürsorgepflicht weitere Pflichten des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern. Im ersten Teil unseres Blogbeitrages finden Sie nun eine Zusammenfassung der Schutzmaßnahmen, die bei einer Rückkehr der Mitarbeiter ins Büro vorzunehmen sind.
1. Schutzmaßnahmen und Fürsorgepflicht
Die COVID-19-Lockerungsvereinbarung schreibt vor, dass zwischen den Mitarbeitern ein Abstand von mindestens einem Meter eingehalten werden muss, sofern nicht durch geeignete Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Damit insbesondere an den Arbeitsplätzen der Arbeitnehmer dieser Mindestabstand eingehalten werden kann, sind unter Umständen Änderungen bei der Arbeitsplatzgestaltung notwendig. So können zum Beispiel Schreibtische neu angeordnet und die Arbeitsplätze voneinander abgeteilt werden, um einen Abstand von mindestens einem Meter zwischen den Mitarbeitern einhalten zu können. Sollte dies nicht möglich sein, können auch andere geeignete Schutzmaßnahmen getroffen werden, wie beispielsweise das Aufstellen von Plexiglaswänden zwischen Schreibtischen.
Gerade in Großraumbüros kann es auch mit Einführung dieser Maßnahmen mitunter schwierig sein, die geforderten Mindestabstände einzuhalten. Hier könnten die Mitarbeiter in Gruppen eingeteilt werden und diese abwechselnd im Büro erscheinen, um zu verhindern, dass zu viele Mitarbeiter aufeinandertreffen.
Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes am eigenen Schreibtisch und somit während des Arbeitstages ist in der COVID-19-Lockerungsverordnung nicht vorgesehen und wird im Normalfall auch nicht erforderlich sein. Hingegen wird am Gangbereich (vor allem, wenn dieser eng ist) sowie etwa im Lift das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes geboten sein. Dies gilt natürlich nur insoweit, als das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht bereits aus anderen Gründen (z.B. aufgrund von Kundenkontakt im Kundenbereich, etc.) erforderlich ist.
Aufgrund der Fürsorgepflicht trifft den Arbeitgeber allgemein die Pflicht, zweckmäßige Schutzmaßnahmen zu treffen, um seine Arbeitnehmer bestmöglich vor einer Infektion zu schützen. Hierzu zählen zum Beispiel die leicht zugängliche Möglichkeit zur Desinfektion sowie weitere Hygieneempfehlungen und -maßnahmen für die Arbeitnehmer.
2. Haftung des Arbeitgebers und Strafbestimmungen
Durch die COVID-19-Lockerungsverordnung werden die Bestimmungen des ASchG (sowie das Bundes-Bedienstetenschutzgesetz) nicht berührt – die darin enthaltenen Bestimmungen zum Schutz der Arbeitnehmer sind daher weiterhin zu beachten. Bei Verstößen gegen das ASchG droht dem Arbeitgeber für die Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von EUR 166 bis EUR 8.324, im Wiederholungsfall sogar eine Geldstrafe von EUR 333 bis EUR 16.659.
Ein Arbeitgeber muss sich jedoch grundsätzlich nicht vor einer möglichen Haftung oder Strafe fürchten, solange die Schutzmaßnahmen der COVID-19-Lockerungsverordnung umgesetzt wurden und somit die Rahmenbedingungen für die Arbeitnehmer den Anforderungen entsprechen. Das Einhalten des Mindestabstands bei Ausübung der Tätigkeit obliegt wohl auch der Eigenverantwortung des Arbeitnehmers.
Wichtig ist jedoch, dass der Arbeitgeber bei einer objektiven Gefährdung, wie zum Beispiel aufgrund eines tatsächlich infizierten Mitarbeiters im Büro, sofort handelt und Vorsorgemaßnahmen für die restliche Belegschaft trifft.
3. Rückkehr aus dem Home-Office
Im Zusammenhang mit der Rückkehr auf den Arbeitsplatz ist wichtig zu wissen: Arbeitnehmer haben grundsätzlich kein Recht, im Home-Office zu bleiben; der Arbeitgeber kann somit die Arbeitsaufnahme am ursprünglichen Arbeitsplatz anordnen. Ein Recht auf Arbeit im Home-Office haben lediglich Arbeitnehmer, die zur Risikogruppe gehören und ein ärztliches Attest darüber vorlegen können (nähere Details zu der Zuordnung einer Risikogruppe und dem Attest finden Sie in unserem Blogbeitrag unter COVID-19-bedingter Dienstfreistellungsanspruch für Risikogruppen).
Ist bereits im Arbeitsvertrag ein Anordnungsrecht des Arbeitgebers vereinbart, kann dieser den Arbeitnehmer auch anweisen, ab sofort wieder an seinem ursprünglichen Arbeitsplatz seine Arbeitsleistung zu erbringen. Während der Ausgangsbeschränkungen haben einige Arbeitgeber auch (befristete) Home-Office Vereinbarungen abgeschlossen. Bei vereinbartem Widerrufsrecht des Arbeitgebers, kann dieser davon Gebrauch machen und die Vereinbarung der Arbeit im Home-Office widerrufen.
Soweit betrieblich möglich ist es aufgrund der aktuellen Situation jedoch empfehlenswert, Home-Office weiterhin beizubehalten – welche Fragen sich hierbei stellen, können Sie im zweiten Teil unseres Blogbeitrages nachlesen.
II. Home-Office aus arbeitsrechtlicher Sicht
1. Vereinbarung von Home-Office und einseitiges Anordnungsrecht
Sollten Arbeitnehmer oder bestimmte Arbeitnehmergruppen bisher noch nicht im Home-Office gearbeitet haben (zum Beispiel, weil eine Arbeit im Home-Office bisher technisch nicht möglich war), stellt sich zunächst die Frage, ob die Arbeit im Home-Office von dem Arbeitgeber einseitig angeordnet werden kann. Ob eine Vereinbarung der Arbeit im Home-Office (und somit an einem anderen Arbeitsort) erforderlich ist oder der Arbeitgeber ein diesbezügliches Anordnungsrecht hat, ist abhängig von der getroffenen arbeitsvertraglichen Regelung:
- Wenn in dem Arbeitsvertrag bereits ein Anordnungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Home-Office besteht oder eine entsprechende Versetzungsklausel in Bezug auf den Arbeitsort enthalten ist, kann der Arbeitgeber die Arbeit im Home-Office im Rahmen der vertraglichen Gestaltung einseitig anordnen. Der Arbeitnehmer hat in diesem Fall der Weisung des Arbeitgebers Folge zu leisten und kann die Arbeit im Home-Office grundsätzlich nicht verweigern.
- Wurde in dem Arbeitsvertrag hingegen keine diesbezügliche Regelung getroffen, kann der Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsortes und die Arbeit im Home-Office nicht einseitig anordnen. In diesem Fall ist eine vorherige Vereinbarung von Home-Office erforderlich, d.h. auch der Arbeitnehmer muss der Vereinbarung von Home-Office zustimmen. Kommt es zu keiner Zustimmung durch den Arbeitnehmer, muss der Arbeitnehmer grundsätzlich auch keine Arbeit im Home-Office erledigen.
- In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, dass den Arbeitnehmer im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses eine so genannte Treuepflicht trifft. In Zeiten des COVID-19 konnte die Treuepflicht des Arbeitnehmers wohl auch so ausgelegt werden, dass er der Arbeit im Home-Office zuzustimmen hatte, sofern ihm die Arbeit auch möglich war, um den Schaden für den Arbeitgeber so gering wie möglich zu halten. Wenn nun mittlerweile eine Arbeit in der Betriebsstätte wieder relativ gefahrlos möglich ist, wird die Treuepflicht des Arbeitnehmers wohl nicht mehr so ausgelegt werden können und der Arbeitnehmer hat einer Arbeit in der eigenen Wohnung wohl nicht zwingend zuzustimmen.
2. Arbeitszeitaufzeichnungen im Home-Office
Wenn der Arbeitgeber die Arbeitsleistung im Home-Office nun einseitig angeordnet hat, oder der Arbeitnehmer der Vereinbarung von Home-Office zugestimmt hat, stellt sich weiters die Frage nach den Anforderungen von Arbeitszeitaufzeichnungen im Home-Office.
Vorweg ist festzuhalten, dass auch im Home-Office die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetz (AZG) sowie des Arbeitsruhegesetz (ARG) weiterhin gelten. Verstöße gegen die Höchstarbeitszeitgrenzen, Mindestruhezeiten oder Ruhepausen sind unverändert strafbar. Ebenso ändert sich die Lage der Arbeitszeit sowie bestehende Gleitzeitvereinbarungen grundsätzlich nicht, sofern dies nicht vereinbart wird.
Auch im Home-Office gilt grundsätzlich die Regelung, dass die Pflicht zur Aufzeichnung der Arbeitszeit den Arbeitgeber trifft. Der Arbeitgeber kann diese Verpflichtung zur Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen aber grundsätzlich auch an seine Arbeitnehmer delegieren. In diesem Fall sind die Arbeitszeitaufzeichnungen von den Arbeitnehmern selbst zu führen.
- Im Fall von Home-Office ist es empfehlenswert, die Arbeitnehmer anzuordnen, dass sie die Arbeitszeitaufzeichnungen täglich führen und auch an ihren Vorgesetzten übermitteln müssen. Weiters sollte eine regelmäßige Kontrolle der Arbeitszeitaufzeichnungen durch den Vorgesetzten erfolgen.
Eine gesetzeskonforme Arbeitszeitaufzeichnung hat Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der Ruhepausen zu beinhalten (Regelaufzeichnung). Bei einem flexiblen Durchrechnungszeitraum hat die Aufzeichnung weiters den Durchrechnungszeitraum zu beinhalten.
Abgesehen von dieser Regelaufzeichnung bestehen nach dem AZG einige Erleichterungen bzw. Vereinfachungen der Arbeitszeitaufzeichnung. Für Arbeitnehmer im Home-Office ist v.a. die vereinfachte Saldenaufzeichnung relevant:
- Jene Arbeitnehmer, die die Lage ihrer Arbeitszeit und ihren Arbeitsort weitgehend selbst bestimmen können, oder ihre Tätigkeit überwiegend in ihrer Wohnung ausüben, können reine „Saldenaufzeichnungen“ führen. Dies sind Aufzeichnungen der Dauer der Tagesarbeitszeit (z.B. 8 Stunden), jedoch ohne Aufzeichnung von Beginn und Ende der Arbeitszeit. Diese Form der Zeitaufzeichnung ist laut dem Arbeitszeitgesetz derzeit zwar zulässig, es stellt sich jedoch die Frage, ob sie sich aufgrund aktueller EuGH Judikatur (EuGH 14.5.2019, C-55/18) unionswidrig darstellen könnte. Derartige Saldenaufzeichnungen erlauben keine Prüfung der Einhaltung der Garantien der Arbeitszeit-Richtlinie (Ruhezeiten, etc.) und sind weiters problematisch in Bezug auf Deckungsprüfungen bei All-in-Vereinbarungen, da die Lage der Arbeitszeit nicht erfasst wird.
- Auch wenn diese Vereinfachung grundsätzlich in einem konkreten Fall gesetzlich zulässig wäre, ist es dennoch empfehlenswert konforme Regelaufzeichnungen(inkl. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und Lage der Ruhezeiten) zu führen.
Im Zusammenhang mit der Arbeit im Home-Office sind auch die aktuellen Änderungen im ASVG durch das 3. COVID-19-Gesetz (BGBl. 23/2020) zu beachten:
In § 175 ASVG wurden Absatz 1a und 1b eingefügt: Demnach sind Unfälle, die sich im zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung am Aufenthaltsort des Dienstnehmers (der versicherten Person), d.h. im Home-Office, ereignen, auch Arbeitsunfälle im Sinne des ASVG. Diese Ausnahme gilt für die Dauer von Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz. Weiters gilt der Aufenthaltsort des Dienstnehmers (Home-Office) als Arbeitsstätte.
175 Abs. 1a und 1b tritt rückwirkend mit 11. März 2020 in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft. Diese Regelung ist auf jene Versicherungsfälle anzuwenden, die ab dem 11. März 2020 eingetreten sind.
3. Bereitstellung der Betriebsmittel
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber die entsprechenden Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen und auch die damit verbundenen Kosten zu tragen – dies gilt ebenso bei Arbeiten im Home-Office. Davon kann (sofern keine kollektivvertraglichen Bestimmungen dagegensprechen) jedoch abgewichen werden und zum Beispiel vereinbart werden, dass der Arbeitnehmer bestimmte Betriebsmittel bereitzustellen hat. Der anwendbare Kollektivvertrag muss daher auf Bestimmungen in Bezug auf die Abgeltung von Aufwendungen sowie Home-Office überprüft werden. Es ist zu empfehlen, eine Home-Office-Vereinbarung mit den Arbeitnehmern abzuschließen und den Einsatz von privaten Betriebsmitteln sowie einen Aufwandersatz zu regeln. Auch die Vereinbarung einer pauschalen Kostentragung ist möglich.
4. Arbeitnehmerschutz im Home-Office
Ebenso gelten auch die Bestimmungen über Bildschirmarbeit des ASchG im Home-Office. Zu beachten ist hierbei, dass der Arbeitgeber für die Ausstattung des Home-Office mit Büromöbeln und die dabei eingesetzten technischen Arbeitsgeräte aber nur dann eine Verantwortung nach dem ASchG trägt, wenn er diese auch bereitgestellt hat. Sofern der Arbeitnehmer selbst die Betriebsmittel und Büromöbel beistellt, trägt der Arbeitgeber hierfür auch keine Verantwortung.
In diesem Zusammenhang unterliegen dem Zutrittsrecht des Arbeitsinspektorats in das Home-Office, daher in die Wohnstätte des Arbeitnehmers, wohl auch nur die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Betriebsmittel und Büromöbel. Außerdem wird der zu beachtende Schutz der Privatsphäre des Arbeitnehmers einem unangemeldeten Zutritt in die Wohnung des Arbeitnehmers entgegenstehen.
Sollten Sie weitere Fragen im Zusammenhang mit COVID-19 und arbeitsrechtlichen Auswirkungen oder möglichen Personalmaßnahmen haben, stehen wir Ihnen gerne mit unserer Expertise zur Verfügung.
Co-Autorinnen: Mag. Eva Krichmayr; Theresa Weiss-Dorer, LL.M.