COVID-19: Geänderter Fristenlauf für Zusammenschlussanmeldungen
Autor:innen: Dr. Konstantin Köck LL.M. MBA (DUK) LL.M. (SCU); Dr. Silvia Wandl
Nach der Wertung des österreichischen Gesetzgebers soll die Behandlung von Zusammenschlüssen – so derzeit eine Anmeldung überhaupt eingebracht wird – auf die Zeit nach den rigiden Einschränkungen durch COVID-19, d.h. zumindest auf Mai 2020, verschoben werden:
Änderungen durch das 2. COVID-19-Gesetz
Daher wurden in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Änderungen beschlossen:
Für Zusammenschlussanmeldungen (Phase I), die vor dem 30.4.2020 bei der Bundeswettbewerbsbehörde einlangen, beginnt die vier- bzw sechswöchige Frist für die Stellung eines Prüfungsantrages durch die Bundeswettbewerbsbehörde erst mit dem 1.5.2020 zu laufen.
Für Prüfungsanträge (Phase II), die vor dem 1.5.2020 beim Kartellgericht anhängig gemacht werden, beginnt die fünf- bzw sechsmonatige Entscheidungsfrist erst mit dem 1.5.2020 zu laufen.
Keine Auswirkung hat die Corona-Krise hingegen auf Unternehmen, deren rechtliche oder wirtschaftliche Interessen durch den Zusammenschluss berührt werden. Diese haben auch weiterhin lediglich 14 Tage Zeit, nach der Veröffentlichung der Zusammenschlussanmeldung eine schriftliche Äußerung bei der Bundeswettbewerbsbehörde oder beim Bundeskartellanwalt einzubringen.
Keine Auswirkungen hat die Corona-Krise auch auf die Möglichkeit zur Abgabe von vorzeitigen Prüfungsverzichten durch die Bundeswettbewerbsbehörde und den Bundeskartellanwalt.
Da eine große Zahl der Anmeldungen zur Fusionskontrolle in Österreich den hierzulande geltenden niedrigen Aufgriffsschwellen geschuldet ist, wird diesem Instrument nun verstärkte Aufmerksamkeit zu schenken sein.
Es gilt wie zuvor: Die Abgabe eines Prüfungsverzichts kommt nur dann in Betracht, wenn Richtigkeit und Vollständigkeit der Anmeldung eindeutig vorliegen, eine umfassende inhaltliche Prüfung auch unter den Rahmenbedingungen der gegenwärtigen Situation möglich ist, und diese zweifelsfrei die inhaltliche Unbedenklichkeit eines Zusammenschlussvorhabens ergibt. Wie die Bundeswettbewerbsbehörde auf ihrer Homepage in diesem Zusammenhang selbst schreibt, soll das Instrument des ausnahmsweisen Prüfungsverzichtes unter den gegebenen Umständen in den dafür in Frage kommenden Fällen eine Abwicklung innerhalb der ansonst regulären 4-Wochen-Frist gewährleisten.
Umso wichtiger ist es daher, gerade in komplexen und dringenden Fällen eine enge und rechtzeitige Abstimmung mit den beiden Amtsparteien (Bundeswettbewerbsbehörde und Bundeskartellanwalt) zu suchen, damit es trotz der aktuellen Ausnahmesituation zu keiner unerwünschten Verzögerung bei der Umsetzung von anmeldepflichtigen Zusammenschlussvorhaben kommt. In diesem Zusammenhang wird es daher ua ratsam sein, bereits vor dem Signing im Rahmen eines sog Pränotifikationsgespräches auf vertraulicher Basis mit der Bundeswettbewerbsbehörde (telefonisch oder per Videokonferenz) Kontakt aufzunehmen. Dies erleichtert der Bundeswettbewerbsbehörde nicht nur die Planung ihrer Ressourcen, sondern erlaubt es auch den Parteien, frühzeitig die voraussichtliche Verfahrensdauer abzuschätzen und dies bei der Vertragsgestaltung entsprechend zu berücksichtigen.
Durch die temporäre Einstellung des Parteienverkehrs sind Zusammenschlussanmeldungen momentan ausschließlich im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) während der Amtsstunden (Mo bis Do 8:00 – 16:00 Uhr, Fr 8:00 – 15:00 Uhr) bei der Bundeswettbewerbsbehörde einzubringen. Wie auch bei anderen Behörden wurden jegliche persönlichen Termine bis auf weiteres abgesagt und werden soweit wie möglich per Telefon oder elektronische Medien durchgeführt.
Ausblick
Es ist davon auszugehen, dass die Corona-Krise im Bereich der Zusammenschlussvorhaben – nicht nur betreffend die Digitalisierung der Bundeswettbewerbsbehörde – langfristige Auswirkungen haben wird. Sie wird voraussichtlich in zahlreichen Sektoren zu Konsolidierungen führen. Die failing-company-Doktrin wird in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle spielen, werden die verschiedenen europäischen Kartellbehörden doch schon bald zahlreiche Sanierungsfusionen zu prüfen haben.