Impfpflicht ausgesetzt, Maskenpflicht gefallen: Welche Maßnahmen gelten derzeit noch am Arbeitsplatz?
COVID-19-Impfpflichtgesetz: Gesetzwerdung und Aussetzung
Hinweis: Dieser Blogbeitrag wurde am 16.03.2022 aktualisiert.
Nachdem der Gesetzesvorschlag am 20. Jänner 2022 im Nationalrat angenommen wurde und am 3. Februar 2022 die Zustimmung im Bundesrat erhielt, wurde das COVID-19-Impfpflichtgesetz (COVID-19-IG) am 4. Februar 2022 im Bundesgesetzblatt kundgemacht, ist schließlich am 5. Februar 2022 in Kraft getreten und soll mit Ablauf des 31. Jänner 2024 außer Kraft treten (BGBl Nr I 4/2022).
Grundsätzlich sollte das COVID-Impflichtgesetz für alle Personen ab 18 Jahren, die ihren Wohnsitz im Bundesgebiet haben, gelten, wobei vom Anwendungsbereich des COVID-19-Impflichtgesetzes bestimmte Personengruppen ausgenommen sind, wie etwa Schwangere, Genese für die Dauer von 180 Tagen ab dem Tag der Probenahme und Personen, die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit geimpft werden können.
Bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes gab es kontroverse Diskussionen über die geplante gesetzliche Impfpflicht, da die Impfung als medizinische Behandlung einen gravierenden Eingriff in Grundrechte darstellt. Derartige Eingriffe sind nur unter der Wahrung der Verhältnismäßigkeit zulässig und diese ist hierbei streng zu prüfen. Um auf die sich stetig verändernde Situation (durch neue Varianten, etc.) reagieren zu können und regelmäßig die gegebene Verhältnismäßigkeit der gesetzlichen Impfpflicht überprüfen zu können, wurde im COVID-19-Impfpflichtgesetz (§ 19 COVID-19-IG) vorgesehen, dass eine beim Bundeskanzleramt eingerichtete Kommission bspw. über die wesentlichen wissenschaftlichen Entwicklungen im Bereich der Schutzimpfung und die Eignung der Impfpflicht zur Verhinderung einer Überlastung der medizinischen Versorgung zu berichten hat. In bestimmten Fällen (z.B. im Fall der Nicht-Verfügbarkeit von Impfstoffen oder einer wesentlichen Änderung des Standes der Wissenschaft hinsichtlich der Wirksamkeit der Impfstoffe, etc.) ist vorgesehen, dass das COVID-19-Impfpflichtgesetz (oder einzelne Bestimmungen davon) durch Anordnung des Gesundheitsministers allenfalls vorübergehend nicht angewendet werden kann (d.h. „ausgesetzt“ wird). Die gebildete Expertenkommission, die das nach dem COVID-19-Impfpflichtgesetz vorgesehene Monitoring übernommen hat, hatte bis 8. März 2022 Zeit für ihre Einschätzung.
Am 9. März 2022 wurde von der Bundesregierung angekündigt, dass das COVID-19-Impfpflichtgesetz ausgesetzt werden soll. Am 12. März 2022 ist nun die Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend die vorübergehende Nichtanwendung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes (und der COVID-19-Impfpflichtverordnung; BGBl II 103/2022) in Kraft getreten. Demnach werden die Impfpflicht sowie die Strafbestimmungen und die Bestimmungen betreffend ein Strafverfahren vorübergehend ausgesetzt. Die Verordnung soll (derzeit) mit Ablauf des 31. Mai 2022 wieder außer Kraft treten. Die Verordnung zur Aussetzung der COVID-19-Impfpflicht selbst enthält keine Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis.
Anderenfalls hätte mit 16. März 2022 die sogenannte „Phase 2“ begonnen, ab der bei ungeimpften Personen ab 18 Jahren mit Wohnsitz im Bundesgebiet Verwaltungsstrafen verhängt werden können.
Das (derzeit noch in Kraft stehende) COVID-19-Impfpflichtgesetz sieht grundsätzlich keine Regelungen im direkten Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis vor, weshalb sich zumindest keine unmittelbaren Auswirkungen durch die Impfpflicht auf das Arbeitsverhältnis ergeben.
Derzeit geltende Maßnahmen im Arbeitsverhältnis
Mit Inkrafttreten der COVID-19-Basismaßnahmenverordnung (COVID-19-BMV) am 5. März 2022 ist die generelle Maskenpflicht am Arbeitsplatz gefallen. Mit diesem Datum ist auch die bisher geltende 4. COVID-19-Maßnahmenverordnung, welche noch eine generelle Maskenpflicht am Arbeitsplatz vorsah, außer Kraft getreten.
In bestimmten Bereichen (wie z.B. öffentliche Apotheken, Lebensmittelhandel, Drogerien, Banken, aber etwa auch Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Rechtspflege) ist beim Betreten von Kundenbereichen in geschlossenen Räumen weiterhin eine Maske zu tragen. Diese Bestimmung gilt bei unmittelbarem Kunden- oder Parteienkontakt auch für Betreiber, Inhaber und Mitarbeiter, außer das Infektionsrisiko kann durch sonstige geeignete Schutzmaßnahmen minimiert werden. Derartige geeignete Schutzmaßnahmen sind etwa technische Schutzmaßnahmen, wie die Anbringung von Trennwänden oder Plexiglaswänden. Arbeitnehmer, die in diesen in der Verordnung genannten Bereichen arbeiten, haben daher bei unmittelbarem Kundenkontakt eine Maske zu tragen, sofern nicht geeignete Schutzmaßnahmen bestehen. Für alle sonstigen Orte und nicht erfasste Betriebsstätten enthält die Verordnung lediglich die Empfehlung, auch in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen, und besteht dazu somit keine Verpflichtung mehr. Für Arbeitnehmer in besonders vulnerablen Bereichen (wie z.B. Alten- und Pflegeheimen, Krankenanstalten, Kuranstalten, etc.) besteht jedoch weiterhin die Verpflichtung eine Maske zu tragen.
Weiters ist die Vorlage eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr („3G-Nachweis“) in der derzeitigen Fassung der COVID-19-Basismaßnahmenverordnung nicht mehr vorgesehen. Ungeimpfte Arbeitnehmer können ihre Arbeit daher weiterhin an ihrem Arbeitsplatz ausüben (dies nun ohne Vorlage eines Nachweises). Ausgenommen sind weiterhin aber Arbeitnehmer in vulnerablen Bereichen (wie etwa Altenbetreuung, Gesundheitseinrichtungen, etc.), für welche die COVID-19-Basismaßnahmenverordnung weiterhin eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz vorsieht.
Die in der bisher geltenden 4. COVID-19-Maßnahmenverordnung bestehende Möglichkeit des Arbeitgebers, in Bezug auf das Tragen einer Maske sowie der Vorlage eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr in begründeten Fällen strengere Maßnahmen vorzusehen, findet sich nicht in der COVID-19-Basismaßnahmenverordnung und schafft daher eine gewisse Rechtsunsicherheit. In der Verordnung zur Aufhebung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes finden sich keine Bestimmungen in Bezug auf den Nachweis einer geringen epidemiologischen Gefahr.
Laut der rechtlichen Begründung zur COVID-19-Basismaßnahmenverordnung soll es möglich sein, für Arbeitsorte, für die im Hinblick auf das Tragen einer Maske und die Vorlage eines Nachweises einer geringen epidemiologischen Gefahr keine Regelungen mehr vorgesehen sind, wie bisher in begründeten Fällen strengere Regelungen vorzusehen.
Aufgrund der immer noch sehr hohen Infektionszahlen im Zusammenhang mit COVID-19 ist davon auszugehen, dass Arbeitgeber im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht erforderliche Maßnahmen treffen können, um die Gesundheit ihrer Mitarbeiter aber auch Dritter (z.B. Kunden oder Lieferanten) zu schützen. Derartige Maßnahmen müssen aber notwendig, verhältnismäßig und angemessen sein. Es wird von der Situation im Betrieb abhängen, welche Maßnahmen vom Arbeitgeber getroffen werden können, wobei darauf zu achten ist, jeweils die gelindeste mögliche Maßnahme umzusetzen. Es ist daher zu prüfen, ob auch gelindere Schutzmaßnahmen das Infektionsrisiko minimieren können, wie z.B. Abstandsregelungen, Plexiglasscheiben, Home-Office, etc. Reichen derartige gelindere Maßnahmen nicht aus, um die konkrete Gefahr am Arbeitsplatz zu minimieren, können strengere Maßnahmen wohl vorgesehen werden.
Wir gehen daher davon aus, dass Arbeitgeber in begründeten Fällen, etwa an Arbeitsorten, an denen das Infektionsgeschehen besonders hoch ist oder Kontakt mit vulnerablen Personengruppen besteht, weiterhin das Tragen von Masken zum Schutz ihrer Mitarbeiter oder Dritter vorsehen können. Ebenso wird es in besonders begründeten Fällen zulässig sein, am Arbeitsplatz einen „3G-Nachweis“ von den Arbeitnehmern zu verlangen. Derartige strenge Maßnahmen sind aber jeweils im Einzelfall und anhand des konkreten Infektionsrisikos am Arbeitsplatz zu prüfen und gegebenenfalls an geänderte Umstände anzupassen. Ebenso sind die entsprechenden Mitwirkungsrechte des Betriebsrates zu beachten. Ob auch die Umsetzung einer innerbetrieblichen „2G-Pflicht“ (daher Vorlage eines Impfzertifikates oder Genesungsnachweises) weiterhin zulässig ist, ist derzeit noch offen.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Verweigerung einer Impfung
Unabhängig von der vorübergehenden Aussetzung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes stellt sich die Frage, welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen sich ergeben, wenn ein Arbeitnehmer sich weigert, sich impfen zu lassen. Es ist durchaus möglich, dass die Bestimmungen des COVID-19-Impfpflichtgesetzes nach der nächsten Evaluierung wieder in Geltung treten.
Allgemein ist in Österreich eine Kündigung durch den Arbeitgeber ohnehin ohne besondere Gründe möglich (ausgenommen bestimmte geschützte Arbeitnehmer[-gruppen], wie schwangere Arbeitnehmerinnen, ArbeitnehmerInnen in Karenz oder Elternteilzeit, Betriebsratsmitglieder, begünstigt behinderte ArbeitnehmerInnen unter gewissen Voraussetzungen, etc). Eine Kündigung durch den Arbeitgeber ist daher unabhängig des Impfstatus ohnehin jederzeit – unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder vertraglichen Kündigungsfristen und -termine – möglich.
Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer nach einer ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung mit einer Kündigungsanfechtung etwa aufgrund eines verpönten Motives nach § 105 Abs 3 Z 1 ArbVG oder aufgrund Sittenwidrigkeit nach § 879 ABGB unter Umständen durchdringen kann. Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine erfolgte Arbeitgeberkündigung in dem Fall, wenn der Arbeitnehmer keinen zu diesem Zeitpunkt verpflichtend vorgesehenen 3G-Nachweis erbringen kann, wohl nicht aus einem verpönten oder sittenwidrigen Motiv erfolgte. Ebenso gehen wir davon aus, dass eine Kündigung aufgrund einer Verweigerung der Impfung weder ein verpöntes Motiv darstellt noch sittenwidrig ist. Eine sittenwidrige Kündigung liegt nur dann vor, wenn diese vom Arbeitgeber aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven ausgesprochen wurde. Wenn der Arbeitgeber aber auf das Vorliegen der COVID-19-Impfung abstellt, wird wohl kein gänzlich unsachlicher Grund für die Kündigungsentscheidung vorliegen (wobei wohl das aktuelle Infektionsgeschehen jeweils zu berücksichtigen ist). Insbesondere ist zu beachten, dass der Arbeitgeber ein sachliches Interesse daran haben wird, geimpftes Personal einzusetzen, dies auch in Hinblick auf den Schutz anderer Arbeitnehmer sowie etwaiger Kunden. Wenn der Arbeitgeber akzeptiert, dass ihm kein Weisungsrecht in Bezug auf die Impfung vorliegt, stellt er idR damit auch nicht das Recht des Arbeitnehmers in Frage, die Impfung abzulehnen, weshalb wohl auch keine motivwidrige Kündigung nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG vorliegen wird.
Zu der Frage der Verweigerung der Impfung liegt derzeit soweit ersichtlich jedoch noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Der OGH hat aber bereits über einen Fall entschieden, in dem ein Arbeitnehmer, der in einem Alten- und Pflegeheim tätig war, sich weigerte, sich (entsprechend der zu dem Zeitpunkt geltenden Maßnahmen) regelmäßig auf COVID-19 testen zu lassen und daraufhin das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber beendet wurde. In diesem Fall war die auf § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG gestützte Kündigungsanfechtung des Arbeitnehmers nicht erfolgreich und die Kündigung erfolgte nicht aus einem verpönten Motiv.
Noch offen ist die Frage, ob womöglich die Entlassung eines Arbeitnehmers, der COVID-19-Impfungen verweigert, gerechtfertigt sein kann, insbesondere aufgrund der Erfüllung des Entlassungstatbestandes der Dienstunfähigkeit (§ 27 Z 2 AngG). Hierzu liegt ebenso noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Bisher wurde dies in der Literatur soweit ersichtlich überwiegend verneint und die mangelnde Impfbereitschaft nicht als Entlassungsgrund qualifiziert. Insbesondere ist zu beachten, dass für das Vorliegen der Dienstunfähigkeit eine dauerhafte Dienstunfähigkeit vorliegen muss, was wohl bei einer Verweigerung der Impfung gerade nicht vorliegen wird, da sich die Bereitschaft des Arbeitnehmers sich impfen zu lassen mitunter auch ändern kann. Ebenso ist zu beachten, dass die Impfung ein unbedingtes Erfordernis für die Arbeitserbringung sein muss und der Arbeitnehmer durch die Weigerung der Impfung gänzlich unfähig werden muss, seine Dienstleistung zu erbringen; daher müssten im Einzelfall auch die Einführung anderer Schutzmaßnahmen oder eine Versetzung nicht möglich sein. Ebenso ist zu beachten, ob etwaige berücksichtigungswürdige sachliche Gründe (z.B. gesundheitliche Gründe) einer Impfung des Arbeitnehmers entgegenstehen. Insgesamt ist aus unserer Sicht derzeit davon auszugehen, dass durch die Weigerung eines Arbeitnehmers sich gegen COVID-19 impfen zu lassen, kein Entlassungsgrund erfüllt wird. Dies wird nach der Aussetzung des COVID-19-Impfpflichtgesetzes in Zukunft wohl auch noch weniger zu argumentieren sein.
Insgesamt bleibt die weitere Entwicklung im Zusammenhang mit dem COVID-19-Impfpflichtgesetz sowie höchstgerichtliche Rechtsprechung abzuwarten.
Co-Autorin: Theresa Weiss-Dorer, LL.M.
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