COVID-19: Gesellschaftsrechtliche Entscheidungsfindung – was ist “remote” möglich? (Teil 4)
Autorinnen: MMag. Verena Heffermann; Dr. Isabella Lechner.
Weitere Erleichterungen für Gesellschafter- und Organversammlungen
In unseren Beiträgen vom 24. März und vom 6. April 2020 haben wir bereits über die gesetzlichen Erleichterungen für die Abhaltung von Versammlungen der Gesellschafter und von Organmitgliedern aufgrund des Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Gesetzes berichtet.
1. Fernteilnahme und Beschlussfassung auf andere Weise
Gesellschafterversammlungen (insb General- und Hauptversammlungen) und Versammlungen von Organmitgliedern (insb Aufsichtsrats- und Vorstandssitzungen) können bis Ende 2020 auch ohne physische Anwesenheit der Teilnehmer abgehalten werden. Dies gilt – mit Ausnahme von europäischen Gesellschaften – für alle privatrechtlichen Gesellschaften und Körperschaften.
Außerdem können Beschlüsse generell auch auf andere Weise gefasst werden, womit in erster Linie schriftliche Beschlüsse gemeint sind.
Wie die Einberufung und Abhaltung virtueller Versammlungen konkret vonstattengehen soll, ist in der Gesellschaftsrechtlichen COVID-19-Verordnung vom 8. April 2020 (COVID-19-GesV) näher geregelt. Als Alternative zur „physischen“ Versammlung kann nun jede Versammlung mittels Videokonferenz (akustische und optische Zweiweg-Verbindung in Echtzeit) abgehalten werden; bis zu 50% der Teilnehmer dürfen daran sogar nur akustisch, insb per Telefon, teilnehmen. Auch bei virtuellen Versammlungen muss es den Teilnehmern möglich sein, Wortmeldungen abzugeben und an Abstimmungen teilzunehmen. Die gesetzlichen oder gesellschaftsvertraglichen Regelungen betreffend die Einberufung und Durchführung von Versammlungen (wie etwa die Fristen) gelten grundsätzlich auch für virtuelle Versammlungen, sofern die COVID-19-GesV nichts anderes bestimmt.
Aufgrund des oft großen Aktionärs-/Mitgliederkreises enthält die Verordnung Sonderbestimmungen für AG, Genossenschaften und Vereine. Bei Hauptversammlungen einer AG ist allerdings die notarielle Protokollierungspflicht zu beachten, die nun auch im Rahmen einer qualifizierten Videokonferenz mit dem Notar erfolgen kann:
Da bestimmte in oder außerhalb von Versammlungen zu fassende Beschlüsse und Protokolle einer notariellen Beurkundung bedürfen, wurde im Rahmen des 4. COVID-19-Gesetzes die Ausweitung der Nutzung elektronischer Kommunikationsmittel für notarielle Amtshandlungen ermöglicht. Nähere Information dazu finden Sie in unserem Beitrag vom 6. April 2020.
2. Fristverlängerung für Haupt- bzw Generalversammlung einer AG, GmbH und Genossenschaft
Die Fristen für die Abhaltung von General- bzw Hauptversammlungen von AG, GmbH und Genossenschaften wurde temporär auf 12 Monate verlängert. Dies gilt wohl auch für die bei der GmbH übliche Beschlussfassung im Umlaufweg zur Feststellung des Jahresabschlusses, Gewinnverteilung und Entlastung der Geschäftsführer.
Im Gesetz nicht explizit geregelt ist, welche Geschäftsjahre von der Fristverlängerung überhaupt umfasst sind. Unseres Erachtens muss die Verlängerung für all jene Rechtsträger gelten, deren Frist für die Abhaltung der General-/Hauptversammlung zwischen 22. März und 31. Dezember 2020 abläuft. Folglich gilt die verlängerte Frist für alle Geschäftsjahre mit Bilanzstichtag zwischen 31. Juli 2019 und 30. April 2020; die General-/Hauptversammlung sollte aber jedenfalls im Jahr 2020 abgehalten werden, weil die Gesetzesbestimmung mit Jahresende außer Kraft tritt.
3. Unanwendbarkeit gesellschaftsvertraglicher Fristen und Termine
Soweit in Gesellschaftsverträgen (Satzungen, Statuten, Stiftungsurkunden) der in § 1 Abs 1 COVID-19-GesG genannten Rechtsträger Fristen oder Termine für bestimmte Versammlungen festgelegt sind, können diese Versammlungen auch zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt im Jahr 2020 stattfinden.
Dem Bericht des Budgetausschusses vom 2. April 2020 (116/2020) zufolge sollen nicht nur die gesellschaftsvertraglich geregelten Fristen für die Abhaltung, sondern auch für die Einberufung von Versammlungen aufgehoben sein. Dies kann nur solche statutarischen Fristen und Termine betreffen, die von den gesetzlichen Fristen (zB für die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung) und Terminen abweichen.
Schließlich obliegt es dem pflichtgemäßen Ermessen des jeweiligen Organ(leiter)s, wann die vorgeschriebene Sitzung abgehalten werden soll. Im Hinblick auf die neu geschaffene Möglichkeit der Fernteilnahme an Sitzungen sowie der Fassung von Fernbeschlüssen wird eine Verschiebung von Gremialsitzungen möglicherweise nicht mehr sachgerecht sein.
4. Vierteljährliche Aufsichtsratssitzungen
Gemäß § 94 Abs 3 AktG, § 30i Abs 3 GmbHG und § 24d Abs 3 GmbHG haben Aufsichtsratssitzungen viermal im Jahr, und zwar vierteljährlich, stattzufinden.
Bis 30. April 2020 mussten keine Aufsichtsratssitzungen bei einer GmbH, AG oder Genossenschaft abgehalten werden, wenn deren Durchführung nicht möglich war. Ab 1. Mai haben sie – unter Anwendung der oben beschriebenen Erleichterungen (siehe Punkt 1) – wieder quartalsweise stattzufinden.
PwC Remote Meeting Room
Sollten Sie über die entsprechenden technischen Voraussetzungen – abgesehen von Laptop mit Kamera und Mikrofon – für die Abhaltung einer Versammlung ohne physische Teilnahme nicht verfügen oder diese nicht rasch zu beschaffen sein, haben wir gemeinsam mit unseren PwC IT-Experten einen Remote Meeting Room gebaut, der die Anforderungen einer qualifizierten Videokonferenz erfüllt. Dieser ermöglicht Ihnen eine rasche Durchführung von Aufsichtsratssitzungen sowie General- bzw Hauptversammlungen in Zeiten krisenbedingter Ortsabwesenheit. Die besonderen Anforderungen an eine Remote-Versammlung – ebenso wie an die ggf erforderliche Teilnahme des Notars – sind allerdings der Durchführungs-VO zum COVID-19 GesG vorbehalten.
Links zu Gesetzen, Verordnungen und Erlässen
- Gesellschaftsrechtliches COVID-19-Gesetz (COVID-19-GesG)
- Gesellschaftsrechtliche COVID-19-Verordnung (COVID-19-GesV)
- Erlass des BMJ zur COVID-19-GesV vom 8. April 2020 (GZ 2020-0.223.429)
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