Der Countdown läuft: Umstieg in das neue Gehaltssystem des KV Handel bis 1. Jänner 2022
Seit 1. Dezember 2017 sieht der Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben („KV Handel“) ein neues Gehaltssystem („KV Handel NEU“) vor. Alle Handelsbetriebe müssen ausnahmslos mit allen Handelsangestellten in das neue Gehaltssystem umsteigen.
Mit den Kollektivvertragsverhandlungen vom 22. Oktober 2020 wurde nun die Frist für den Umstieg (vormals bis spätestens 1. Dezember 2021), um einen Monat verlängert: Der Umstieg muss daher spätestens bis 1. Jänner 2022 erfolgen und gilt das neue Gehaltssystem ab diesem Stichtag ausnahmslos für alle Handelsbetriebe in Österreich. Damit wird das nunmehr seit 45 Jahren geltende alte Gehaltssystem ersetzt, welches nur noch bis zum 31. Dezember 2021 gilt.
1. Festlegung des Umstiegsstichtags
Zu beachten ist, dass alle Handelsangestellten nach den zwingenden Vorgaben des KV Handel unter der Mitwirkung des Betriebsrates in das neue Gehaltssystem umzustufen sind. Der Übergangsstichtag ist gemeinsam mit dem Betriebsrat in einer Betriebsvereinbarung zu vereinbaren.
In betriebsratslosen Betrieben müssen die Angestellten spätestens drei Monate vor dem Umstieg schriftlich über den geplanten Umstiegsstichtag informiert werden.
Sollte keine Entscheidung über einen Umstiegsstichtag getroffen werden bzw keine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat abgeschlossen werden, ist ab dem 1. Jänner 2022 normativ das neue Gehaltssystem auf alle Handelsangestellten des Betriebes anzuwenden.
Spätestens 4 Wochen vor dem Umstiegsstichtag ist den Arbeitnehmern ein „Umstiegsdienstzettel“ auszuhändigen, in dem zB die neue Einstufung, das neue kollektivvertragliche Mindestgehalt und gegebenenfalls weitere Entgeltbestandteile enthalten sind.
All-In-Vereinbarungen zur pauschalen Abgeltung von Entgeltbestandteilen sind transparent zu gestalten und unterliegen den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Transparenzkriterien. Diese Formvorschriften gelten ab dem Zeitpunkt des Übertritts des Unternehmens ins neue Gehaltssystem. Im Umstiegsdienstzettel sind auch bestehende All-In-Vereinbarungen an diese Formvorschriften anzupassen.
Bei einem Umstieg in den KV Handel NEU empfehlen wir, die bestehenden Arbeitsverträge vorab zu überprüfen. Gerade bei Arbeitsverhältnissen, die bereits seit längerer Zeit bestehen, stellt sich die Frage, ob beispielsweise abgeschlossene All-In-Vereinbarungen den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Transparenzkriterien entsprechen.
Wir stehen Ihnen sehr gerne für eine Überprüfung der Arbeitsverträge und der All-In-Vereinbarungen zur Verfügung und unterstützen Sie bei allen erforderlichen Schritten des Umstiegs.
2. Unterschiede Gehaltssystem ALT und NEU
Während das alte Gehaltssystem 6 Beschäftigungsgruppen (BG 1 – BG 6) vorsieht, gibt es im neuen Gehaltssystem 8 Beschäftigungsgruppen (BG A – BG H). Jeder Handelsangestellte ist entsprechend der von ihm ausgeübten Tätigkeit und der bisherigen Berufserfahrung bzw Ausbildung in eine der neuen Beschäftigungsgruppen einzuordnen.
Das neue Gehaltssystem unterscheidet in den Beschäftigungsgruppen zwischen Fachlaufbahn und Führungslaufbahn. Die Bewertungskriterien für die Fachlaufbahn sind in allen Beschäftigungsgruppen detailliert beschrieben. Das neue Gehaltssystem listet in der Fachlaufbahn in jeder Beschäftigungsgruppe Bewertungskriterien auf, wie „selbstständiges Arbeiten“, „Verantwortung“, „Befugnisse“, „soziale Fähigkeiten“ (insbesondere Kommunikationskompetenzen), „Fach- und Sachkenntnisse“ und „Qualifikationserfordernisse“ (Ausbildung). Die Führungslaufbahn beginnt mit BG E. Im neuen Gehaltssystem sind die vielfältigen Tätigkeiten im Handel in folgende „Arbeitswelten“ eingeteilt worden:
- Einkauf
- Verkauf & Vertrieb
- Marketing & Kommunikation
- Kaufmännische & administrative Dienstleistungen
- Logistik
- Technischer Dienst
- Informationstechnologie (IT).
Diesen Arbeitswelten sind in den einzelnen Beschäftigungsgruppen „Referenzfunktionen“ zugeordnet worden, die im KV Handel im Anhang 10 detailliert beschrieben sind und als Orientierung bei der Einstufung dienen (eine Übersicht über die Referenzfunktionen findet sich im Anhang 9). Für die Einstufung ist aber immer die Tätigkeit des einzelnen Angestellten in ihrer Gesamtheit ausschlaggebend (summarisches Bewertungsverfahren).
Für die Arbeitswelt Verkauf & Vertrieb gibt es darüber hinaus für die Beschäftigungsgruppen C bis E ein „Baukastensystem“ zur leichteren Abgrenzbarkeit der Beschäftigungsgruppen und Einordnung von Mischtätigkeiten. Arbeitnehmer, der Arbeitswelt Verkauf & Vertrieb, die bspw zusätzlich zu einer oder mehreren Standardtätigkeiten (Bedienung, Überwachung, Kassiervorgang, Abwicklung) in der BG C nur eine der in BG D aufgezählten qualifizierten Zusatztätigkeiten ausüben, sind in BG D einzustufen. Eine derartige qualifizierte Zusatztätigkeit ist bspw die Anleitung, die Aufsicht und die Kontrolle von Selbstbedienungsabläufen oder –prozessen durch eine Verkäuferin oder einen Verkäufer, die von Kundinnen und Kunden eigenständig durchgeführt werden (zB Aufsicht der Selbstbedienungskassen in großen Supermärkten), und bedingt zumindest eine Einstufung in BG D.
Durch die detaillierte Beschreibung der Tätigkeiten, insbesondere in der Fachlaufbahn, soll sich bei der Einstufung von Arbeitnehmern in Zukunft eine höhere Rechtssicherheit und Transparenz bei der Einstufung ergeben und daher ein geringeres Risiko einer Unterentlohnung für den Arbeitgeber bestehen.
Das neue Gehaltssystem beinhaltet nicht nur neue Beschäftigungsgruppen, sondern damit verbunden auch eine neue Gehaltstabelle. Das neue Gehaltssystem beinhaltet in BG C – BG H 5 Gehaltsstufen mit jeweils 3 Beschäftigungsgruppenjahren. In den ersten beiden Beschäftigungsgruppen, BG A und BG B, sind nur drei Gehaltsstufen mit 3 Beschäftigungsgruppenjahren vorgesehen. Ein Angestellter verbleibt somit jeweils drei Jahre in einer Gehaltsstufe und durchläuft maximal vier kollektivvertragliche Gehaltssprünge innerhalb einer Beschäftigungsgruppe.
Im Unterschied zu dem alten Gehaltssystem, welches acht Gehaltstafeln (Gehaltstafel A Allgemeiner Groß- und Kleinhandel, Gehaltstafel B Fotohandel, etc) und zwei Gehaltsgebiete (A für Betriebe in allen Bundesländern, außer Salzburg und Vorarlberg, und B für Salzburg und Vorarlberg) enthielt, sieht das neue Gehaltssystem nur eine einheitliche Gehaltstafel für das gesamte Bundesgebiet vor.
Stufe (Jahr) | A | B | C | D | E | F | G | H |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Stufe 1 (1. bis 3. Jahr) | 1.606,00 | 1.661,00 | 1.714,00 | 1.821,00 | 1.981,00 | 2.250,00 | 2.784,00 | 3.427,00 |
Stufe 2 (4. bis 6. Jahr) | 1.649,00 | 1.714,00 | 1.810,00 | 1.956,00 | 2.159,00 | 2.517,00 | 3.079,00 | 3.747,00 |
Stufe 3 (7. bis 9. Jahr) | 1.692,00 | 1.768,00 | 1.908,00 | 2.088,00 | 2.335,00 | 2.784,00 | 3.374,00 | 4.069,00 |
Stufe 4 (10. bis 12. Jahr) | 2.004,00 | 2.222,00 | 2.512,00 | 3.052,00 | 3.668,00 | 4.391,00 | ||
Stufe 5 (ab 13. Jahr) | 2.100,00 | 2.356,00 | 2.688,00 | 3.320,00 | 3.963,00 | 4.711,00 |
Gehaltstabelle des KV Handel NEU (per 01.01.2020)
Stufe (Jahr) | A | B | C | D | E | F | G | H |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Stufe 1 (1. bis 3. Jahr) | 1.630,00 | 1.686,00 | 1.740,00 | 1.848,00 | 2.011,00 | 2.284,00 | 2.826,00 | 3.478,00 |
Stufe 2 (4. bis 6. Jahr) | 1.674,00 | 1.740,00 | 1.837,00 | 1.985,00 | 2.191,00 | 2.555,00 | 3.125,00 | 3.803,00 |
Stufe 3 (7. bis 9. Jahr) | 1.717,00 | 1.795,00 | 1.937,00 | 2.119,00 | 2.370,00 | 2.826,00 | 3.425,00 | 4.130,00 |
Stufe 4 (10. bis 12. Jahr) | 2.034,00 | 2.255,00 | 2.550,00 | 3.098,00 | 3.723,00 | 4.457,00 | ||
Stufe 5 (ab 13. Jahr) | 2.132,00 | 2.391,00 | 2.728,00 | 3.370,00 | 4.022,00 | 4.782,00 |
Vorläufige Gehaltstabelle des KV Handel NEU (per 01.01.2021)
Weiters sind bei Einstufungen von neu einzustellenden Arbeitnehmern in Hinkunft grundsätzlich höchstens noch 7 Vordienstjahre anzurechnen (bisher waren bis zu 18 Jahre Vordienstzeiten anzurechnen). Bei Kassiertätigkeit in der Arbeitswelt Verkauf & Vertrieb ist ein weiteres Jahr als Vordienstzeit anzurechnen. Die Bestimmungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten sind jedoch nur bei neu eintretenden Arbeitnehmern relevant und nicht bei Arbeitnehmern, die vom alten in das neue Gehaltssystem umgestuft werden. Bei der Umstufung von Arbeitnehmern ist lediglich die alte Einstufung und das alte kollektivvertragliche Mindestentgelt ausschlaggebend.
Ebenso ergeben sich im neuen Gehaltssystem Änderungen bei der Anrechnung von Vordienstzeiten. Künftig sind Vordienstzeiten im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses, einer selbständigen Tätigkeit, eines freien Dienstverhältnisses und im öffentlichen Dienst als Vordienstzeiten zu berücksichtigen. Ebenso sind Vordienstzeiten als Arbeiter zur Hälfte sowie Zeiten des Präsenz- und Zivildienstes zur Gänze anzurechnen. Auch sind Elternkarenzurlaube bzw Kinderbetreuungszeiten laut KV Handel im Ausmaß von höchstens 24 Monaten anzurechnen. Für eine erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung in bestimmten Lehrberufen wird ein Jahr und für die erfolgreich abgeschlossene Handelsakademie zwei Jahre als Vordienstzeit angerechnet.
3. Der Umstieg
Anhand der alten Einstufung und des aktuellen Mindestgehalts ist zunächst
1) die im Sinne des oben beschriebenen Zuordnungsverfahren richtige Beschäftigungsgruppe des neuen Gehaltssystems zu bestimmen und in einem nächsten Schritt
2) die Einordnung in die korrekte Gehaltsstufe vorzunehmen.
Bei der Umstufung ist es unbedingt notwendig, dass von der korrekten „alten“ Einstufung (im alten Gehaltssystem) ausgegangen wird.
Sollte sich ein neues, niedrigeres kollektivvertragliches Mindestentgelt ergeben, darf das monatliche Bruttogehalt der Arbeitnehmer jedoch künftig nicht gekürzt werden, da die Arbeitnehmer durch den Umstieg nicht benachteiligt bzw schlechter gestellt werden dürfen.
Liegt das kollektivvertragliche Mindestgehalt der Stufe 5 (ab 13 Jahren) nach dem neuen Gehaltssystem unter dem alten kollektivvertraglichen Mindestgehalt, steht dem betreffenden Angestellten zusätzlich der sogenannte „Reformbetrag 1“ zu.
Der Reformbetrag 1 ist
- die Differenz zwischen dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt NEU der Stufe 5 und
- dem kollektivvertraglichen Mindestgehalt ALT.
Es ist ebenso möglich, dass es durch den Umstieg (je nach Beschäftigungsgruppe und Vordienstzeiten) zu einem höheren kollektivvertraglichen Mindestentgelt kommt.
Achtung: Erhöhungen des kollektivvertraglichen Mindestentgelts können auf bestehende Überzahlungen angerechnet werden.
Zu beachten ist weiters, dass in einem Unternehmen nicht beide Gehaltssysteme nebeneinander bestehen können. Es ist daher nicht zulässig, neu eintretende Mitarbeiter in das neue Gehaltssystem einzustufen, während sich bestehende Mitarbeiter noch in dem alten Gehaltssystem befinden. Bis zum Umstieg sind daher auch alle neu eintretenden Mitarbeiter noch weiterhin in das alte Gehaltssystem einzustufen! Nach dem Umstieg sind ausnahmslos alle bestehenden Mitarbeiter in das neue Gehaltssystem umzustufen und ebenso neu eintretende Mitarbeiter direkt in das neue Gehaltssystem einzustufen.
Für seit dem 1. Dezember 2017 neu gegründete Betriebe gilt ausnahmslos das neue Gehaltssystem.
4. Unsere Checkliste für Ihren Umstieg
Unsere Checkliste gibt Ihnen einen Überblick, auf was Sie während des Umstiegs achten sollen und welche Schritte zu setzen sind.
- Informationen zum KV Handel NEU einholen
- Festlegung des Umstiegsstichtags (in Betrieben mit Betriebsrat durch Betriebsvereinbarung, in Betrieben ohne Betriebsrat durch den Arbeitgeber) und Information der Mitarbeiter spätestens drei Monate vor dem Umstieg (der Umstiegsstichtag ist an die Arbeitnehmer kommunizieren)
- Überprüfung und ggf. Anpassung der Positionsbeschreibungen und Alteinstufungen, Überprüfung der bisherigen Vordienstzeiten
- Einstufung aller Handelsangestellten in das neue Gehaltssystem
- Erstellung von Umstiegsdienstzetteln (Informationen zu Einstufung, Mindestgehalt und transparente All-In-Vereinbarungen müssen enthalten sein; Umstiegsdienstzettel sind spätestens vier Wochen vor dem Umstieg an die Arbeitnehmer zu verteilen)
- Umstieg in das neue Gehaltssystem zum gewählten Stichtag (spätestens bis 1. Jänner 2022)
- Anpassung der Lohnverrechnungssysteme und automatisierter KV-Verwaltungstools
- Durchführung von Deckungsprüfungen
Wir unterstützen Sie gerne bei allen erforderlichen Schritten des Umstiegs in den KV Handel NEU.
