HinweisgeberInnenschutzgesetz (HSchG): Was bringt die Umsetzung der EU Whistleblowing Richtlinie?
Medienwirksame Skandale machten immer wieder deutlich, wie wichtig Whistleblowing-Systeme insbesondere zur Wahrung der Unternehmensreputation sein können. Der richtige Einsatz eines Whistleblowing-Systems wirkt präventiv, schützt das Unternehmen und trägt zu einer vertrauensvollen Unternehmenskultur bei.
Vor diesem Hintergrund wurde bereits Ende 2019 die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (“EU-Richtlinie“), veröffentlicht. Die Mitgliedstaaten hatten bis 17. Dezember 2021 Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. In Österreich wurde das HSchG, das lediglich Mindeststandards festlegt, erst am 3. Juni 2022 zur Begutachtung dem Parlament vorgelegt und sieht bereits ab 2026 die Möglichkeit einer Evaluierung der darin enthaltenen Regelungen vor.
Unsere Expert:innen haben im folgenden Beitrag die wichtigsten Punkte des Entwurfs zusammengefasst:
Für wen gilt das Gesetz?
Der Entwurf sieht – bis auf einzelne branchenspezifische Ausnahmen – wie bereits die EU-Richtlinie die Anwendbarkeit für Unternehmen und juristische Personen des öffentlichen Rechts mit jeweils 50 oder mehr Arbeitnehmer:innen vor.
Auch im Hinblick auf die vom Geltungsbereich umfassten nationalen Gesetze orientiert sich der österreichische Entwurf stark an den in der EU-Richtlinie angeführten Bereichen, und es wird lediglich ein weiterer Bereich des nationalen Strafrechts abgedeckt:
- Öffentliches Auftragswesen;
- Finanzdienstleistungen, Finanzprodukte und Finanzmärkte sowie Verhinderungen von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung;
- Produktsicherheit und – konformität;
- Verkehrssicherheit;
- Umweltschutz;
- Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit;
- Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz;
- öffentlich Gesundheit;
- Verbraucherschutz und Schutz der Privatsphäre personenbezogener Datens sowie Netz- und Informationssystemen;
- §§302 bis 309 Strafgesetzbuch (StGB) und damit ein Teil der strafbaren Verletzungen der Amtspflicht, Korruption und verwandten strafbaren Handlungen
Wer ist geschützt?
Die EU-Richtlinie gilt für Hinweisgeber:innen, die im beruflichen Kontext Informationen über Verstöße erlangen, u.a.: (Ex-) Arbeitnehmer:innen und Bewerber:innen, Volontäre und Praktikant:innen, selbstständig erwerbstätige Personen, Leitungs- und Aufsichtsorgane sowie (Sub-) Auftragnehmer oder dessen Lieferanten. Auch nach dem österreichischen Gesetzesentwurf gelten die Regelungen für Hinweisgeber:innen, die aufgrund beruflicher Verbindung zu einem Rechtsträger des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts Informationen über Rechtsverletzungen erlangt haben.
Welche Maßnahmen werden Unternehmen laut Gesetzesentwurf ergreifen müssen?
1. Einrichtung von Meldekanälen
Das HSchG beinhaltet die Schaffung von internen und externen Stellen für den privaten und öffentlichen Sektor. Es setzt ebenso die Empfehlung um, dass interne Meldekanäle gegenüber externen Stellen von den Hinweisgeber:innen bevorzugt verwendet werden sollten. Die externe Stelle für Rechtsträger des Privatrechts wird im Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (“BAK”) angesiedelt, falls nicht bereits andere Meldestellen gemäß eines entsprechenden Bundesgesetzes eingerichtet wurden (z.B. Finanzmarktaufsichtsbehörde).
2. Vertrauenswürdige Kommunikationswege und Anonymität
Der EU-Richtlinie zufolge muss Hinweisgeber:innen die Möglichkeit eingeräumt werden, auf anonyme Art Missstände zu melden. Sollte die Identität des Whistleblowers im Rahmen eines verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahrens oder eines Ermittlungsverfahrens offengelegt werden, so muss die Person von der Behörde vor der Offenlegung über diese Tatsache, sowie die Gründe informiert werden, es sei denn, dieser Schritt würde die Ermittlungen erschweren.
3. Rückmelde- bzw Dokumentationspflicht
Im Fall des Eingangs eines schriftlichen Hinweises ist dieser grundsätzlich innerhalb von sieben Kalendertagen schriftlich zu bestätigen.
4. Verwaltungsstrafen
Wer potenzielle Hinweisgeber:innen dezidiert davon abhalten möchte, Missstände aufzudecken und Hinweise weiterzugeben, sie dabei behindert oder unter Druck setzt, begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von bis zu EUR 20.000, im Wiederholungsfall bis zu EUR 40.000 zu bestrafen (vgl § 24 HSchG) ist.
Welche arbeitsrechtlichen Aspekte sind besonders zu beachten?
1. Schutz vor Vergeltungsmaßnahmen
Dieser Rechtsschutz soll darin bestehen, dass sie als Folge eines berechtigten Hinweises keinen Vergeltungsmaßnahmen ausgesetzt werden dürfen. Der Schutz soll insofern sogar so weit ausgestaltet werden, dass Verschlechterungen am Arbeitsplatz als rechtsunwirksam erklärt werden sollen (vgl. § 20 Abs 1 HSchG). Mit der Rechtsfolge der Rechtsunwirksamkeit plant der österreichische Gesetzgeber einen stärkeren Rechtsschutz, als von der EU-Richtlinie vorgegeben wurde.
Dazu zählen Maßnahmen wie z.B.
- Suspendierung, Kündigung oder vergleichbare Maßnahmen,
- Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags,
- Aufhebung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen,Herabstufung oder Versagung einer Beförderung, verschlechternde Versetzung,
- negative Leistungsbeurteilung oder Ausstellung eines schlechten Dienstzeugnisses,
- Disziplinarmaßnahme, Rüge oder sonstige Sanktion einschließlich finanzieller Sanktionen.
Damit auch für persönlich erlittene Beeinträchtigungen, welche im Gegensatz zu den zuvor erwähnten Maßnahmen nicht oder nicht zur Gänze rückgängig gemacht werden können, Abhilfe geschaffen werden kann, sieht der Entwurf in § 20 Abs 2 HSchG auch Schadenersatzansprüche für Hinweisgeber:innen vor. Hier nennt der Gesetzentwurf z.B.die folgenden Maßnahmen:
- Nötigung, Einschüchterung, Mobbing oder Ausgrenzung, Diskriminierung,
- Nichtumwandlung eines befristeten Arbeitsvertrags in einen unbefristeten Arbeitsvertrag in Fällen, in denen eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer zu Recht erwarten durfte, einen unbefristeten Arbeitsvertrag angeboten zu bekommen,
- Schädigung einschließlich Rufschädigung, insbesondere in den sozialen Medien, oder Herbeiführung finanzieller Verluste einschließlich Auftrags- oder Einnahmeverluste,
- psychiatrische oder sonstige Zuweisung zu ärztlicher Behandlung.
2. Glaubhaftmachung anstatt Regelbeweismaß
Die EU-Richtlinie sieht für Verfahren vor einem Gericht oder vor einer Behörde, in denen Hinweisgeber:innen Benachteiligungen (“Repressalien”) geltend machen, eine Beweislastumkehr vor, die den Hinweisgeber:innen noch mehr Schutz gewährleisten soll. Konkret müssten Hinweisgeber:innen der EU-Richtlinie zufolge (nur) beweisen, dass sie eine konkrete Meldung gemacht haben. Das Unternehmen müsste dann gemäß der EU-Richtlinie wiederum beweisen, dass die verschlechternde Maßnahme auf hinreichend gerechtfertigten Gründen – und nicht auf dem Hinweis – basierte.
Diese Beweislastumkehr enthält der österreichische Gesetzesentwurf jedoch nicht im Ausmaß der EU-Richtlinie: Stattdessen bedient sich der Entwurf den Standards des Gleichbehandlungsgesetzes und der Beweismaßreduzierung der Glaubhaftmachung: Das Regelbeweismaß verlangt im Gerichtsprozess eine hohe Wahrscheinlichkeit des vorgebrachten Sachverhalts. Im Gegensatz dazu spricht man von der Glaubhaftmachung, wenn das Gericht bloß von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu überzeugen ist. Dementsprechend wäre gemäß § 23 HSchG von der Klägerin/dem Kläger glaubhaft zu machen, als Folge eines Hinweises benachteiligt worden zu sein. Dem Unternehmen würde dann die Glaubhaftmachung obliegen, dass eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass ein anderes Motiv für die Maßnahme ausschlaggebend war.
Welche Klarstellungen gibt es im Zusammenhang mit dem Datenschutzrecht?
Trotz der hohen Übereinstimmung des österreichischen Gesetzesentwurfs mit den Bestimmungen der EU-Richtlinie gibt es im Bereich des Datenschutzes einige Klarstellungen, die zur teilweisen Auflösung des Spannungsfeldes zwischen den Geheimhaltungsinteressen der Hinweisgeber:innen und den datenschutzrechtlichen Betroffenenrechten (z.B. Informationsrechte) führen.
Die Informationspflichten gegenüber der durch die Meldung betroffenen Personen, sowohl gegenüber dem potentiell Beschuldigten als auch gegenüber einem möglichen Zeugen/Dritten werden zumindest vorübergehend gem § 8 Abs 7 HSchG unterbunden.
Von dieser Ausnahmeregelung ist auch das Recht auf Auskunft, das Recht auf Berichtigung, das Recht auf Löschung, das Recht auf Einschränkung der Verarbeitung, das Widerspruchsrecht sowie das Recht auf Benachrichtigung von einer Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten umfasst.
Ebenso legt der österreichische Gesetzesentwurf eine Aufbewahrungsfrist der für die Bearbeitung des Hinweises benötigten personenbezogenen Daten von dreißig Jahren ab ihrer letztmaligen Verarbeitung oder Übermittlung fest.
Einladung Webcast
Um näher auf die kurz dargelegten und relevantesten Punkte des österreichischen Gesetzesentwurfs einzugehen, laden wir Sie herzlich zu unserem PwC Webcast | HinweisgeberInnenschutzgesetz – HSchG – “Was kommt auf die österreichischen Unternehmen zu?” am Mittwoch, 15. Juni 2022 ab 09:00, Uhr ein.
Unsere Expert:innen werden am 15. Juni 2022 das Gesetz ausführlich diskutieren sowie Ihre offenen Fragen im Rahmen einer anschließenden Q&A-Einheit besprechen. Die Teilnehmer:innen haben auch die Möglichkeit, persönliche Zeitslots mit unseren Expert:innen zu buchen, um sich näher zu diesem breiten Thema auszutauschen.
Details und Anmeldung zum Webcast
Co-Autorinnen: Dr. Nathalie Alon, LL.M.;
Mag. Sarah Kaltenbrunner