Impfpflicht im Arbeitsverhältnis? – Arbeitsrechtliche Aspekte der COVID-19 Impfung
Nach langem Warten auf die Zulassung der ersten Impfstoffe gegen COVID-19 wurde am 27. Dezember 2020 die erste Impfung in Österreich verabreicht. Am 29. Juli 2021 waren in Österreich schließlich bereits mehr als 50 % der Gesamtbevölkerung vollimmunisiert. Obwohl nun zwar ausreichend Impfstoff für alle verfügbar wäre, scheint es (teils) an der Impfbereitschaft der österreichischen Bevölkerung zu mangeln: Studien zeigen, dass bereits beinahe alle impfbereiten Personen zumindest eine Erstimpfung erhalten haben. Bislang gibt es in Österreich keine generelle Impfpflicht, auch wenn das Thema in jüngster Zeit immer öfter diskutiert wird. In diesem Zusammenhang möchten wir Ihnen einen Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen einer möglichen “Impfpflicht” im Arbeitsverhältnis geben.
Fragerecht des Arbeitgebers nach dem Impfstatus
In einem ersten Schritt stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer (bzw. Bewerber) überhaupt dazu verpflichtet sind, (wahrheitsgemäß) Auskunft über ihren Impfstatus zu geben. Hier sind sowohl datenschutzrechtliche als auch persönlichkeitsrechtliche Aspekte zu berücksichtigen (Offenbarungspflicht).
Im Ergebnis wird jedoch überwiegend und branchenunabhängig die Zulässigkeit der Erfragung des Impfstatus angenommen, weshalb Arbeitnehmer und Bewerber auch zu einer wahrheitsgemäßen Beantwortung verpflichtet sind. Auch die Frage des Arbeitgebers nach einem negativen COVID-19 Testergebnis wird daher in aller Regel zulässig sein. Eine falsche Auskunft könnte den Arbeitgeber unter Umständen sogar zur Entlassung berechtigen.
Begründet wird diese Rechtsansicht nicht nur mit der Treuepflicht der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber, sondern insbesondere mit der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber den (anderen) Arbeitnehmern im Betrieb sowie auch mit der Schutz- und Sorgfaltspflicht gegenüber etwaigen Kunden und Vertragspartnern. Ebenso sind Arbeitgeber nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz explizit dazu verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in Bezug auf alle Aspekte, die die Arbeit betreffen, zu sorgen. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang insbesondere die (zumindest bislang) angenommene Schutzwirkung der Impfung auch gegenüber Dritten.
Eher umstritten ist hingegen, ob und inwieweit der Betriebsrat in derartige Befragungen einzubinden ist. Es gibt gewichtige Stimmen in der arbeitsrechtlichen Literatur, die Rechte des Betriebsrats in diesem Zusammenhang ablehnen, ausjudiziert ist diese Frage allerdings noch nicht.
In der Folge sind die möglichen Konsequenzen für Neueinstellungen und für bestehende Arbeitsverhältnisse zu unterscheiden.
Mögliche Konsequenzen für Neueinstellungen
Weitestgehend bejaht wird die Möglichkeit, Neueinstellungen von Arbeitnehmern an eine Impfung gegen COVID-19 zu knüpfen. Insbesondere handelt es sich beim Impfstatus um kein Merkmal, welches durch das Gleichbehandlungsgesetz bzw. das Behinderteneinstellungsgesetz geschützt wird. Somit wird es überwiegend auch als zulässig angesehen, Bewerbungen von Personen, welche eine Auskunft über ihren Impfstatus verweigern, nicht zu berücksichtigen.
Mögliche Konsequenzen in bestehenden Arbeitsverhältnissen
Differenzierter muss die Rechtslage für bereits bestehende Arbeitsverhältnisse betrachtet werden.
Zunächst stellt sich die Frage, ob ein Arbeitgeber bestehende Arbeitnehmer zu einer Impfung verpflichten darf. Mangels (allgemeiner) gesetzlicher Impfpflicht (bzw. entsprechender Regelung im Dienstvertrag) wird eine Impfanordnung durch den Arbeitgeber (in Form einer Weisung) in der Regel als unzulässig angesehen; unzulässige Weisungen müssen nicht befolgt werden.
Dementsprechend ist zu klären, welche Möglichkeiten für den Arbeitgeber bestehen, wenn Arbeitnehmer die Impfung verweigern.
Denkbar erscheint es, Arbeitnehmer durch eine Änderungskündigung (vertraglich) zu einer Impfung zu verpflichten. Ob dieses Vorgehen zulässig ist, ist in der Literatur jedoch umstritten.
Entschließt sich der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund dessen Impfverweigerung direkt zu kündigen, so stellt sich ebenso die Frage, ob eine derartige Kündigung zulässig ist.
Grundsätzlich besteht im österreichischen Arbeitsrecht keine Verpflichtung, Kündigungen zu begründen (außer in Bezug auf Personen, welche einem besonderen gesetzlichen Kündigungsschutz unterliegen).
Eine etwaige Anfechtungsmöglichkeit von Kündigungen infolge einer Impfverweigerung ist sehr umstritten:
Immer wieder wird in diesem Zusammenhang damit argumentiert, dass eine derartige Kündigung sittenwidrig sei. Allerdings wird Sittenwidrigkeit von der Rechtsprechung nur in Fällen bejaht, in denen die Kündigung aus gänzlich unsachlichen Gründen erfolgt. Davon ist in diesem Fall gerade nicht auszugehen, da der Arbeitgeber schließlich u.a. im Rahmen seiner Fürsorgepflicht handelt. Sittenwidrigkeit ist in solchen Fällen somit in der Regel nicht anzunehmen.
Zum Teil wird auch angenommen, dass eine Kündigung aufgrund einer Impfverweigerung als Motivkündigung angefochten werden kann. Ebenso wird aber auch vertreten, dass in diesem Fall gerade kein verpöntes Motiv vorliegt und deshalb eine Anfechtung nicht möglich ist. Hier wird somit eine abschließende Klärung durch die Rechtsprechung erforderlich sein.
Ebenso kommt auch eine Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit in Betracht: Sofern es für den Arbeitnehmer durch die Kündigung zu einer wesentlichen Interessenbeeinträchtigung kommt, ist nach allgemeinen Grundsätzen eine derartige Anfechtung möglich. In diesem Fall müsste der Arbeitgeber nachweisen, dass die nachteiligen Auswirkungen der Impfverweigerung schwerer wiegen als die durch die Kündigung beeinträchtigten Arbeitnehmerinteressen. Auch ist zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber ein anderes geeignetes, gelinderes Mittel wie z.B. eine Versetzung hätte anwenden können. Hierbei handelt es sich immer um Einzelfallentscheidungen, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und einer Interessenabwägung zu lösen sind. Eine Rechtfertigung der Kündigung mit der fehlenden Impfung des Arbeitnehmers erscheint jedoch durchaus möglich.
Sollten Sie Unterstützung bei arbeitsrechtlichen Fragestellungen in Zusammenhang mit der COVID-19 Impfung benötigen, stehen wir Ihnen gerne mit unserer Expertise zur Verfügung.