Überblick über die geplante Novellierung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes
Die seit längerer Zeit erwartete Novelle des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) mit geänderten, der EuGH-Judikatur angepassten Verwaltungsstrafbestimmungen wurde im Nationalrat beschlossen und sollte Anfang September 2021 in Kraft treten. Damit wird u. a. gleichzeitig die EU-Entsenderichtlinie umgesetzt. Eine weitere wesentliche Änderung ist die Anpassung des Entsendebegriffes des LSD-BG an jenen der EU-Entsenderichtlinie. Die Gesetzesnovelle des LSD-BG fand im Bundesrat jedoch keine Mehrheit. Da infolge von Einwänden der Opposition gegen die Einschränkung der Strafrahmen kein Beschluss der Länderkammer zustande kam, verzögert sich das Inkrafttreten der Novelle voraussichtlich um 8 Wochen.
Mit der im Nationalrat am 7. Juli 2021 beschlossenen Novelle (943 d.B. XXVII. GP) des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) sowie des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) soll zum einen die Änderungsrichtlinie zur EU-Entsende-Richtlinie (Richtlinie (EU) 2018/957) in nationales Recht umgesetzt werden. Darüber hinaus kommt es u. a. im Zuge der Harmonisierung des LSD-BG mit dem Geltungsbereich der Entsende-RL zu grundlegenden Änderungen in der Systematik der Ausnahmetatbestände des LSD-BG, es werden im Gesetz Klarstellungen vorgenommen und in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH werden insbesondere die Verwaltungsstrafbestimmungen des LSD-BG überarbeitet.
Der Großteil der neuen Bestimmungen sollte mit 1. September 2021 in Kraft treten. Die neue Rechtslage soll auf Entsendungen und Überlassungen anzuwenden sein, die nach dem 31. August 2021 begonnen haben. Durch das suspensive Veto des Bundesrates wird es voraussichtlich zu einer Verzögerung des Inkrafttretens um 8 Wochen kommen. Mit inhaltlichen Änderungen, d.h. einer Anpassung der Novelle durch den Nationalrat ist aus heutiger Sicht eher nicht zu rechnen. Der Nationalrat kann die Novelle in der derzeit bestehenden Fassung nochmals beschließen.
In diesem Blogbeitrag geben wir Ihnen einen Überblick zu den wichtigsten geplanten Änderungen.
a. Anpassung des Geltungsbereichs des LSD-BG und Erweiterung der Ausnahmebestimmungen
Zunächst wird der Geltungsbereich des LSD-BG in Bezug auf Entsendungen mit jenem der Entsende-Richtlinie harmonisiert. So entfällt die bisherige Bestimmung, dass das Vorliegen einer Entsendung iSd LSD-BG nicht den Abschluss eines Dienstleistungsvertrages zwischen einem Arbeitgeber ohne Sitz in Österreich und einem im Inland tätigen Dienstleistungsempfänger voraussetze. Damit wäre das LSD-BG beispielsweise (laut den Gesetzesmaterialien) künftig unabhängig von der Anwendbarkeit einzelner Ausnahmebestimmungen generell nicht mehr auf Tätigkeiten wie den bloßen Besuch einer Messe oder eines Seminars im Auftrag eines ausländischen Arbeitgebers anwendbar. Der Wegfall der unionsrechtswidrigen Gesetzesbestimmung bedeutet, dass künftig eine Entsendung iSd LSD-BG nur bei Vorliegen eines grenzüberschreitenden Dienstleistungsvertrages anzunehmen ist. Im Ergebnis wird damit der Anwendungsbereich des LSD-BG eingeschränkt.
Darüber hinaus werden auch weitere, neue Ausnahmen vom Anwendungsbereich des LSD-BG vorgesehen. Das LSD-BG sieht bereits in der geltenden Fassung Ausnahmen für bestimmte Arbeiten von geringem Umfang und kurzer Dauer vor. Für die Praxis wesentlich ist vor allem, dass das LSD-BG künftig auf Arbeitnehmer mit einem Monatsentgelt in Höhe von EUR 6.660 brutto (für 2021) zur Gänze nicht zur Anwendung kommen wird, unabhängig vom Umfang und der Dauer der Tätigkeit. Weitere Ausnahmen gelten für ausländische Beamte, Entsendungen/Überlassungen nach Österreich zu Schulungszwecken, Entsendungen/Überlassungen im tertiären Bildungssektor, vorübergehende Konzernentsendungen (auch Einsätze einer besonderen Fachkraft, wenn diese für Arbeiten bei Lieferung, Inbetriebnahme, Wartung etc. von Maschinen, Anlagen und EDV-Systemen erfolgen, sind umfasst) etc..
b. Änderungen betreffend die Bereithaltung von Unterlagen
Während bislang nur der Arbeitsvertrag oder Dienstzettel in englischer Sprache bereitgehalten werden dürfen, soll dies zukünftig für sämtliche nach dem LSD-BG bereitzuhaltenden Lohnunterlagen und auch für Dokumente, die das Bestehen einer Sozialversicherung in einem anderen EU/EWR-Vertragsstaat oder der Schweiz belegen, zulässig sein. Weiters halten die Materialien fest, dass an Art und Form einer Übersetzung keine zusätzlichen Erfordernisse geknüpft werden und keinesfalls eine Beglaubigung erforderlich sein soll. Auch damit wurden für die Praxis wesentliche Erleichterungen geschaffen.
c. Änderung der Verwaltungsstrafbestimmungen
Die Strafbestimmungen des LSD-BG wurden entsprechend dem Urteil des EuGH Maksimovic u. a. (12.09.2019, C-64/18), dem sich der VwGH und der VfGH in ihrer nachfolgenden Judikatur angeschlossen haben, grundlegend überarbeitet, da diese nach Ansicht der Gerichtshöfe unverhältnismäßig und damit unionsrechtswidrig waren. Die Verhältnismäßigkeit soll in der Novelle durch Entfall der Kumulation und Schaffung eines neuen Strafrahmens ohne Mindeststrafe, dessen oberes Ende zugleich die Höchstgrenze im Sinne des Urteils Maksimovic u. a. (12.09.2019, C-64/18) bildet, erzielt werden.
Dementsprechend liegt in Bezug auf Verstöße gegen formale Verpflichtungen des LSD-BG künftig unabhängig von der Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nur noch eine einzige Verwaltungsübertretung vor, welche mit Geldstrafe bis zu € 20.000 bei Verstößen im Zusammenhang mit den Melde- und Bereithaltungspflichten, bis zu € 40.000 bei Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle und bis zu € 20.000 bei Nichtbereithalten bzw. Nichtübermitteln der Lohnunterlagen (im Wiederholungsfall bis zu € 40.000) bestraft wird.
Auch beim Tatbestand der Unterentlohnung soll in Zukunft die Bestrafung pro Arbeitnehmer entfallen. Stattdessen sind hier künftig fünf Stufen mit verschiedenen Höchststrafen (abhängig von der Höhe des vorenthaltenen Entgelts: € 50.000 bis € 250.000 an Höchststrafe) vorgesehen. Bei der letzten Stufe (€ 400.000 an Höchststrafe) wird zusätzlich auf den Verschuldensgrad sowie die (prozentuale) Höhe der durchschnittlichen Unterentlohnung abgestellt. Eine mildere Bestrafung wird für Kleinstunternehmen (bis zu 9 Arbeitnehmer) sowie bei unverzüglicher und vollständiger Mitwirkung an der Wahrheitsfindung vorgesehen. Ein neuer Milderungsgrund liegt künftig (in Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Entsende-Richtlinie) vor, wenn auf der nach der Entsende-Richtlinie einzurichtenden Website (in Österreich: www.entsendeplattform.at) Informationen darüber, welche innerstaatlichen gesetzlichen Normen auf Entsendungen oder Überlassungen anzuwenden sind, fehlen.
An der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen ZKO 3 Meldungen (für Entsendungen) und ZKO 4 Meldungen (für Arbeitskräfteüberlassungen) wird weiterhin festgehalten. Allerdings soll gemäß dem neu eingefügten § 26 Abs 1a LSD-BG künftig eine ZKO Meldung auch dann als vollständig erstattet gelten, wenn irrtümlich das falsche Formular (also ZKO 3 statt ZKO 4 und umgekehrt) verwendet wurde, sofern dieses vollständig ausgefüllt wurde. Gerade für ausländische Rechtsanwender ist die korrekte Abgrenzung zwischen Entsendung und Überlassung meist sehr schwierig bzw. ohne Unterstützung von Experten kaum durchführbar. Für diese Problematik sieht die Novelle keine Lösung vor, auch wenn die Folgen der Verwendung des falschen Formulars abgemildert werden. Im Ergebnis stellt die Novelle an dieser Stelle jedoch eine nur oberflächliche Anpassung dar, die sich mit der Problematik der Unterscheidung von Entsendung und Überlassung, welche zahlreiche weitere (u. a. arbeits- und steuerrechtliche) Rechtsfolgen nach sich zieht, nicht auseinandersetzt.
d. Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur Entsende-Richtlinie
Um der Richtlinie (EU) 2018/957 (Änderungsrichtlinie zur Entsende-Richtlinie) zu entsprechen, finden österreichische gesetzliche und durch Verordnung oder Kollektivvertrag festgelegte Arbeitsrechtsnormen künftig (mit bestimmten Ausnahmen) zur Gänze auf über 12 Monate dauernde Entsendungen/Überlassungen aus dem EWR oder der Schweiz Anwendung. Dies gilt für den Fall, dass die betreffenden Bestimmungen im Herkunftsstaat nicht günstiger sind. Die Dauer von 12 Monaten ohne Gleichstellung kann aus bestimmten faktischen oder rechtlichen Gründen (etwa Lieferverzögerungen etc.) auf 18 Monate verlängert werden. Relevant soll die Regelung (nach den Materialien) insb. für die Anwendung gesetzlicher Dienstverhinderungsregelungen oder kollektivvertraglich vorgesehener Ansprüche auf Dienstfreistellung (Sonderfreistellung) sein.
Ebenso in Umsetzung der Änderungsrichtlinie soll in § 3 LSD-BG ein zwingender Anspruch entsandter Arbeitnehmer auf Aufwandersatz verankert werden.
Die Informationspflichten des Beschäftigers nach dem AÜG im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Überlassungen werden entsprechend der Änderungsrichtlinie erweitert.
Im Ergebnis bringt die recht vielfältige Gegenstände umfassende Novelle zwar in einigen Bereichen dringend nötige Klarstellungen und Erleichterungen in der Anwendung des LSD-BG sowie Verwaltungsvereinfachungen. Insbesondere die Überarbeitung der Verwaltungsstrafbestimmungen stellt nicht nur die notwendige Umsetzung der relevanten EuGH-Judikatur dar und beseitigt die bestehenden unionsrechtswidrigen Bestimmungen, sondern bietet auch erhebliche Erleichterungen im Falle von Strafen durch Entfall des Kumulationsprinzips. Viele praktische Probleme bei der Umsetzung der Regelungen des LSD-BG bleiben jedoch ungelöst, wobei es den Rechtsanwendern überlassen bleibt, im Wege individueller Lösungen ein rechtskonformes Vorgehen zu gewährleisten.
Co-Autorin: Mag. Eva Krichmayr